Es fehlt „die Karotte“
Unsanierte Gründerzeithäuser haben einen Heizwärmebedarf zwischen 150 und 200 kWh – je höher, desto schlechter. Und ein Niedrigstenergiehaus hat einen Heizwärmebedarf von unter 30 kWh. Aber auch ein Heizwärmebedarf unter 60 kWh bedeutet schon einen sehr guten Zustand hinsichtlich Energieeffizienz – „was man bei einem Gründerzeithaus mit gegliederter Fassade durch Dämmung des Dachbodens und des Kellers – auch die Hoffassade und die Feuermauer kann man dämmen – sowie mit neuen Fenstern und Türen auch schaffen kann“, weiß Hans Jörg Ulreich, Geschäftsführender Gesellschafter der Ulreich Bauträger GmbH und Sanierungsexperte. Bei einem unsanierten Haus mit 200 kWh Heizwärmebedarf kann man also auf unter 60 kWh kommen – das ist eine Energieeinsparung von rund zwei Dritteln –, bei einem Haus ohne gegliederte Fassade sogar auf unter 30 kWh und damit auf Niedrigstenergie-Standard.
Technisch ist das also alles kein Problem, rechtlich allerdings schon, sagt Ulreich: Da das Mietrecht völlig veraltet sei. So könne man für „gute energetische Qualität“ maximal einen Mietzuschlag von 10 Prozent verlangen – also 50 Cent mehr pro Quadratmeter, was absurd sei. „Wir haben in einer Vergleichsstudie eine Kategorie-A-Wohnung in einem unsanierten Haus mit Elektroheizung mit einer Kategorie-A-Wohnung in einem Niedrigstenergiehaus mit Hauszentralheizung durch Fernwärme verglichen: Da würde sich der Mieter zwischen 1,50 und 2 Euro pro Quadratmeter Nutzfläche an Heizkosten ersparen“, rechnet Ulreich vor, „aber nach dem Mietrecht bekommt der Vermieter nur 50 Cent.“ Schon allein deswegen fehle jeder Anreiz zu sanieren.
Hauszentralheizung für weitere Einsparungen
Fakt ist auch: Ein Haus durchgreifend zu sanieren, wird immer komplizierter und dadurch immer teurer. Ein Gründerzeithaus auf Niedrigenergie-Standard zu bringen, inklusive Dachausbau, Aufzugeinbau und Barrierefreiheit, kostet laut Ulreich schon um die 3.000 Euro pro Quadratmeter – mindestens um 50 Prozent mehr als ein vergleichbarer Neubau. Im Neubau darf man aber marktüblich vermieten, in der Sanierung ist man beschränkt. „Bei einem Gründerzeithaus, und sei es auf Niedrigstenergie-Standard saniert, ist die Miete so massiv gedeckelt, dass man, wenn man unbefristet vermietet, kaum mehr als 7 Euro Miete pro Quadratmeter bekommt“, beklagt Ulreich die derzeit „große Ungerechtigkeit im Mietrecht, dass die Sanierung eines Gründerzeithauses in der Miete kostentechnisch nicht darstellbar ist.“ Unter diesen rechtlichen Gegebenheiten rechne sich Sanierung hier also nicht, außer man verkaufe die sanierten Wohnungen.
Rein sanierungstechnisch ließe sich die Dekarbonisierung des gründerzeitlichen Gebäudebestandes also durchaus vorantreiben. Dabei wäre es für den Sanierungsexperten „auch sinnvoll, nicht nur zu dämmen, sondern auch auf eine effiziente Hauszentralheizung umzustellen, was weitere Einsparungen bringen würde.“ Bis dahin müssten allerdings all die Gas- und Ölheizungen verschwinden. Es sei unglaublich, wie viele uralte Ölöfen und Gaskonvektoren es in unsanierten Gründerzeithäusern noch gebe und wie viele Wohnungen noch mit dem Küchengasofen heizen würden. Auch die gefährlichen Gas-Durchlauferhitzer für Warmwasser finde man noch sehr zahlreich im Einsatz oder Holz im 60 Jahre alten Heizofen. „Alles in allem sicherheits- und klimaschutztechnisch die reinste Katastrophe“, so Ulreich. Eine Lösung wäre die Fernwärme. Kurzum: „Nur wenn wir die Sanierungsrate und die Dekarbonisierung vorantreiben, zum Beispiel mit entsprechenden Anreizen über das Mietrecht, bleiben uns Gründerzeitjuwele und die Umwelt erhalten.“ Derzeit geschehe in diesem Bereich aber wenig, um nicht zu sagen, gar nichts.
Förderungen müssten einfacher gestaltet werden
Aber auch Nachkriegshäuser bergen enormes Energieeinsparpotenzial. Sanierungen – zum Beispiel Dämmen – sind hier einfacher umzusetzen als bei Gründerzeithäusern. Aber auch hier fehle „die Karotte“, also der Anreiz zur Sanierung; da die Nachkriegshäuser marktüblich vermietet werden dürften, sei die Miete hier schon ausgereizt, daher gebe es hier keinen Anreiz zur Sanierung für Eigentümer, die vermieten, da dies die Rendite schmälere“, sagt Ulreich und schlägt vor: „Hier könnten Förderungen, die einfacher gestaltet sind, helfen. Der aktuelle Sanierungscheck klingt gut, ist aber in der Praxis mühsam.“ Und: „Nicht zu vergessen – Heizmittel sind mittlerweile günstig und das Klima wird immer milder, sodass eine Dämmung rein kaufmännisch gesehen jetzt nicht dringend notwendig ist.“ Dennoch mache der Ansatz, als Bund und Land Unerwünschtes etwa durch entsprechende Abgaben zu verteuern und Erwünschtes zu fördern und zu belohnen, aus klimapolitischer Sicht durchaus Sinn. Ohne Anreize werde sich jedenfalls wenig bis gar nichts bewegen – da würden Gespräche über Einsparungspotenziale reine Zahlenspinnereien und tatsächlich umgesetzte Sanierungsobjekte auf Niedrigenergieeffizienz weiterhin eine Ausnahme bleiben statt zur Regel zu werden.
BIG: „Nachhaltiger Mindeststandard“
Mit welchen Sanierungsmaßnahmen macht übrigens die Bundesimmobiliengesellschaft ihren umfangreichen Gebäudebestand energieeffizienzmäßig „zukunftsfit“? CEO Hans-Peter Weiss: „Die BIG hat 2020 den Nachhaltigen Mindeststandard für energieeffizientes und ressourcenschonendes Bauen und Bewirtschaften eingeführt. Dieser gilt konzernweit für jeden Neubau und jede Generalsanierung und besteht aus 43 Maßnahmen des Holistic Building Programms der BIG (siehe https://hbp.big.at) und der Erreichung des klimaaktiv Standards ,Silber‘ (mindestens 750 Punkte).“ Der Ausstieg aus fossilen Energieträgern habe dabei oberste Priorität. Darüber hinaus würden bei jedem Projekt der Einbau und die Verwendung erneuerbarer Energie forciert. Konkret: „Der Einbau von Photovoltaikanlagen auf Dach und Fassaden, die Nutzung solarthermischer Energie als Unterstützung der Hauptheizsysteme und der Warmwasseraufbereitung sowie der Einsatz von Wärmepumpen.“ Aber nicht nur die effiziente Energienutzung, sondern auch der Einsatz ökologischer, kreislauffähiger Baumaterialien stehe im Fokus. Jedes Gebäude werde nach dem OI3 Berechnungsverfahren einer ökologischen Gesamtbewertung unterzogen.
„Unsere Erfahrung zeigt jedenfalls, dass durch Gebäudesanierungen Energieeinsparungen von 40 bis 60 Prozent möglich sind“, so Weiss. Dies setze aber voraus, dass der Planungsfokus auf Energieeffizienz gelegt werde. Dieses Potenzial auch auszuschöpfen, sei allerdings nicht selbstverständlich. Die BIG erreiche dies beispielsweise, indem sie als Auftraggeberin Vorgaben setze, die über die gesetzlichen Anforderungen hinausgingen. Deshalb habe die BIG diesen verpflichtenden Nachhaltigen Mindeststandard entwickelt, der seit 1.1.2020 umgesetzt werde.