Sanierungsturbo mit Zündproblemen
Den Sanierungsturbo zünden. So lautet die dritte von fünf Grundsatzpositionen, die der Fachverband der Immobilien- und Vermögenstreuhänder im Juni als Weg aus der aktuellen Krise konstatierte (siehe OIZ 7-8/2024, Seiten 12 – 14). Fachverbandsobmann Gerald Gollenz betonte damals:“Österreich und unsere Mitgliedsbetriebe brauchen einen Sanierungsturbo. Die Bevölkerung will ihn, die Umwelt braucht ihn, also sollte die Politik entsprechende Maßnahmen setzen. Auch die Vorgaben der EU werden immer klarer. Wir wollen keine Steuergelder, um mit den derzeitigen Rahmenbedingungen sanieren zu können. Wir brauchen neue Regeln, die uns einfach sanieren lassen.“
Warum ist es derzeit jedoch alles andere als einfach? „Es sind das Mietrechtsgesetz (MRG), das Wohnungseigentumsgesetz (WEG) und das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) die drei Gesetze, die, je nachdem, in welchem Wohnverhältnis man wohnt, alle recht restriktive Bestimmungen enthalten. Sie sollen verhindern, dass ,einer alles machen kann’. Es benötigt den Konsens im Gebäude“, sagt Michael Braito, Förderexperte der Landesenergieagentur Tirol (*). Beispiel Fenster: Die Gebäudehülle als allgemeiner Teil der Liegenschaft gehöre allen im Gebäude. Dementsprechend seien das natürlich die größten Hemmnisse für die meisten. Denn in vielen WEG oder WGG gebe es einen, der sozusagen „aus Prinzip“ nicht mitziehen wolle. „Das ist eines der rechtlichen Hemmnisse“, so Braito, und eben das eine Thema. „Das andere ist die Fördersituation, die in den Details und der Abwicklung nicht immer einfach ist. Auch welche Förderprogramme unter welchen Bedingungen bis wann für wen sind, muss ermittelt werden.“ Man könne jedenfalls klar zwischen der Bundes- und der Landesförderung differenzieren, speziell für die Dekarbonisierung des Gebäudebestandes: Die Bundesförderung betreffe rein den Bestand. Die Tiroler Landesförderung betreffe beides, Bestand und Neubau.
Jedes Bundesland hat sein eigenes Fördersystem – eine Erschwernis für einen Unternehmer oder einen Bauträger, der in mehr als einem Bundesland tätig ist. Er muss das Baurecht und die Förderung eines jeden Bundeslandes, in dem er tätig ist, kennen. „Und auch punkto Attraktivität gibt es Unterschiede. In Tirol ist die Wohnbauförderung sehr attraktiv“, betont Braito. Das Land Tirol hat zum Unterschied vom klassifizierenden Bund alles – Heizungstausch, Ein- oder Mehrfamilienhaus, thermische Sanierung oder Fenstertausch – in einer einzigen Förderrichtlinie enthalten, nämlich in der „Wohnhaussanierungsrichtlinie“. Allerdings fordert das Land grundsätzlich einen Hauptwohnsitz ein. Wobei es hier beim mehrgeschoßigen Wohnbau eine Aliquotierung geben kann. Braito: „Angenommen, ein Gebäude hat dreißig Wohneinheiten. Alle sind gleich groß. Und man hat 15, die einen Hauptwohnsitz haben und 15, die keinen haben. Dann werden die förderfähigen Kosten mit Fördersätzen nur zur Hälfte gefördert.“
„Man muss mit öffentlichen Geldern sorgsam umgehen“
Gerhard Dell, OÖ. Landesenergiebeauftragter und Geschäftsführer des OÖ. Energiesparverbandes, berichtet: „Wir unterscheiden vom Grundsatz her die Förderung für die thermische Sanierung und die Förderung für den Heizungstausch. Diese Förderschiene gibt es von Landes- und Bundesseite schon ein paar Jahre. Mit 1. Jänner 2024 gab es eben Veränderungen, insbesondere indem sie erhöht wurden. Top wird zum Beispiel der Tausch einer Ölheizung gegen eine Pelletsheizung mit über 75 Prozent der Kosten gefördert.“
Für eine umfassende Sanierung inklusive Fenstertausch könnten Gebäudeeigentümer einen Antrag stellen. Bei einer Einzelbauteilmaßnahme könnten einzelne private Wohnungseigentümer oder Mieter einen Antrag stellen, „sofern diese die Kosten der Sanierung tragen“, erklärt Dell. Bei einer Einzelbauteilsanierung der Fenster müssten mindesten 75 Prozent der bestehenden Fenster der Wohnung ausgetauscht oder saniert werden. „Ein Tipp ist, die produktunabhängige Energieberatung des jeweiligen Bundeslandes – bei uns in Oberösterreich ist das der Energiesparverband – in Anspruch zu nehmen.“ Dell zur Kritik am Förderdschungel: „Diese Förderungen sind eine staatliche Leistung, die wir alle mit unseren Steuergeldern zahlen. Daher muss es dazu Regeln geben, die für alle gelten und auch kontrolliert werden müssen.“ Alle Details zu Energieförderungen in Oberösterreich findet man etwa über den Förderassistenten (**). Es brauche entsprechende Unterlagen und manchmal auch Vorortkontrollen. Einen gewissen Aufwand möge es also darstellen, aber man müsse mit öffentlichen Geldern wie erwähnt sorgsam umgehen. „Statt Förderkritik sollten wir uns freuen, dass wir derzeit so viele Förderungen für den Energiebereich beziehungsweise die Dekarbonisierung haben“, wendet Dell ein. Besser eine Fördervielfalt, die durchaus manchmal auch komplex sei, als eine „Förderwüste“.
„Die Beantragung muss vereinfacht und vereinheitlicht werden“
„Für die Immobilienverwalter sind gleichbleibende Förderungen eine wichtige Voraussetzung für zukünftige Sanierungsmaßnahmen, insbesondere eben für die erfolgreiche Umsetzung von Dekarbonisierungsmaßnahmen“, sagt Ellen Moll, Immobilienverwaltung Dr. Moll & Punt OHG in Innsbruck sowie Berufsgruppensprecherin der Immobilienverwalter. Eine Gesamtsanierung – von der Planung über die Vorstellung bis hin zur Abstimmung und Durchführung – benötige in der Regel zwischen ein und zwei Jahre. Nur wenn die Förderungslandschaft über Jahre gleich bleibe, könne eine verlässliche Planung und Kalkulation erfolgen. Auch ein „first come, first serve“ müsse wegfallen. Weiters müsse die Beantragung der Förderung vereinfacht und vereinheitlicht werden. „So müssen gewisse Förderungen vor der Durchführung beantragt werden, andere hingegen können erst nach Rechnungszahlung erfolgen“, gibt Moll zu bedenken.
Und sie spricht ein weiteres Problem bei einem Fenstertausch mit der Bundesförderung an: „Da Fenster nach dem WEG als allgemeiner Teil der Liegenschaft gelten, muss man bei einer Fenstersanierung die Kosten gemäß Grundbuchsanteil bezahlen. Bei Beantragung der Förderung für diese Kosten kommt es nun bei der Bundesförderung zu dem Absurdum, dass nicht die Eigentümergemeinschaft, vertreten durch die Hausverwaltung, sondern nur die einzelnen Miteigentümer die Förderung beantragen können.“ Und hier stünde man vor zwei massiven Problemen: „Die Rechnung ist auf die Eigentümergemeinschaft ausgestellt (welche auch vorsteuerabzugsberichtigt ist) und nicht auf den einzelnen Miteigentümer, der dies aber zum Beantragen der Förderung benötigen würde.“ Selbst wenn nun die Rechnung doch auf den (die) einzelnen Miteigentümer ausgestellt werden könnte, und dieser die Förderung für den Fenstertausch einreichte, komme es zu folgender Situation: „Ein Miteigentümer einer Garconnière hat vier Fenster und einen Grundbuchsanteil von zum Beispiel 200/1000. Ein Miteigentümer einer Zwei-Zimmer-Wohnung hat nur drei Fenster, aber einen Anteil von 300/1000. Nun muss der Eigentümer der größeren Wohnung wegen der zwingenden Verrechnung nach Grundbuchsanteilen automatisch mehr für den Fenstertausch zahlen. Als Förderungsbetrag bekäme er, weil er weniger Fenster hat, jedoch einen geringeren Betrag zugesprochen als der Miteigentümer einer Garconnière.“
Diese Förderung stehe nämlich dem Eigentümer und nicht der Eigentümergemeinschaft zu. Die Förderung beantragen müsse jeder Miteigentümer für sich selbst. Wolle der Verwalter dieses Szenario einer Eigentümergemeinschaft erklären, stoße er verständlicherweise auf Unverständnis, so Moll. Momentan lösbar wäre dies nur durch einen abweichenden Aufteilungsschlüssel (gemäß § 32 WEG einstimmig und schriftlich, und nur pro futuro, nicht für Vergangenes), welcher in den meisten Eigentümergemeinschaften allein schon wegen des Einstimmigkeitserfordernisses nicht erreicht werden könne. „Wir fordern eine Änderung der Bestimmung durch den Gesetzgeber. Antragsberechtigt muss die Eigentümergemeinschaft sein, welche durch den Hausverwalter vertreten wird“, reklamiert die Berufsgruppensprecherin der Immobilienverwalter.
„Kein Moment so gut wie der jetzige zu dekarbonisieren“
Die UIV Urban Innovation Vienna GmbH (***), die Klima- und Innovationsagentur der Stadt Wien, ein Unternehmen der Wien Holding, betreibt im Auftrag der Stadt Wien das Beratungsservice Erneuerbare Energie und hat daher viel Expertise beim Umstieg auf erneuerbare Energieträger im mehrgeschoßigen Wohnbau. „Die Beratungseinrichtung ist für Bürgerinnen und Bürger, aber auch für Bauträger, Hausverwaltungen und Planende mit dem Fokus auf erneuerbare Energieanlagen, speziell sind das Wärmepumpen, Photovoltaik, Geothermie“, erklärt Petra Schöfmann, Leiterin dieses Beratungsservice. „Wir beraten hier sowohl zu den technischen Inhalten, aber auch zu den Genehmigungsverfahren und eben auch zu den Förderungen von Bund und Land.“ Wobei, ob Bundes- oder Landesförderung auch von der Technologie abhänge: „Es gibt Förderungen, die kumulierbar sind. Beziehungsweise man kann sowohl die Bundes- also auch die Landesförderungen beantragen.“ Kombinierbar bei Bundes- und Landesförderungen seien in Wien die Heizungsumstellung wie Fernwärme, Wärmepumpe, Biomasse. Die Photovoltaik-Förderung der Stadt Wien könne auch mit der Umsatzsteuer-Befreiung des Bundes, nicht aber mit den Förderungen nach dem EAG kombiniert werden.
Schöfmann zum Eindruck eines „Förderdschungels“: „Man muss sich da schon einlesen. Ganz wichtig ist: Die Unternehmen, die das planen und ausführen, haben ja schon gute Erfahrungen und können dann auch die Antragstellenden dabei unterstützen, welche Förderung wann beantragt werden muss.“ Hier helfe auch der Markt. „Und natürlich sind auch wir die Ansprechpartner für eine entsprechende Beratung. Wir stimmen uns auch gut mit der Hauskunft ab (****). Es ist jedenfalls kein Moment so gut wie der jetzige zu dekarbonisieren, weil die Förderungen sehr hoch sind.“ Ja, es sei ein Aufwand, sie zu beantragen, aber andererseits müsse man sich auch überlegen: „Es ist unser aller Steuergeld, und wir wollen, dass das auch transparent und zielgerichtet verwendet wird. Und es gibt ja Institutionen, die gut beraten.“
(*) https://foerderungen.energieagentur.tirol
(**) www.energiesparverband.at/foerderassistent