„Balkonien“ wächst und wächst
Ein Grund für das stark wachsende Geschäft mit Balkonnachrüstungen sei die Urbanisierung, sagt Emanuel Hutter, Produktmanager der Leeb Balkone GmbH: „Die Leute, die vom Land in die Stadt ziehen, wollen ihren Standard vom Land hinsichtlich eines persönlichen Freiraums vor dem eigenen Fenster auch in der Stadt irgendwie halten.“ Aber auch bestehende Mieter in der Stadt würden aufgrund der Möglichkeiten, die sich heute böten, aus unterschiedlichen Gründen entsprechend nachrüsten wollen.
Wobei dies aber nicht nur im städtischen Bereich zunehmend nachgefragt ist, sondern auch bei größeren Wohnanlagen im so genannten Speckgürtel- und teilweise auch im ländlichen Bereich. „Sehr oft ist es auch so, dass bei alten Wohnanlagen außerhalb der Städte teilweise die kleinen ,Alibi‘-Balkone aus den 60er und 70er Jahren – klassische ,Raucherbalkone‘ – entfernt und durch große Balkone ersetzt werden“, spricht Hutter einen weiteren Aspekt dieses Trends an. Dies auch, weil eine Neuerrichtung größerer Balkone oft günstiger sei als eine Sanierung dieser alten Zwei-Quadratmeter-Balkone.
Größe auch abhängig von der Widmung
Wie groß der neue Balkon werden darf, ist relativ komplex. „Zum einen gibt es die Möglichkeit, solche Balkone einzeln an die Fassade ,anzuhängen‘, und da hängt sehr viel mit der Hausstatik zusammen, sprich: damit, wie viel das Haus an zusätzlicher Gewichtsaufnahme verträgt bzw. ob die Bausubstanz eine sichere Verankerung zulässt“, so der Fachmann. Hier bewege man sich bezüglich realisierbarer Größe des Balkons in den Größenordnung bis 12 Quadratmetern. Bei vorgestellten, auf vier Stützen stehendenden und nur punktuell am Haus befestigten Balkonen wiederum – dem so genannten Balkonturm – könne beispielsweise die Firma Leeb Balkone bis 17 Quadratmeter mit nur vier Stützen realisieren, und mit verschiedenen Konstruktionsvarianten könne praktisch jede Größe angeboten werden. Aber der größte Teil der nachgerüsteten Balkone habe zwischen 6 und 12 Quadratmetern.
Clemens Mayer, Gründer, Gesellschafter und Geschäftsführer der Easybalkon GmbH: „Die mögliche Balkongröße ist immer abhängig von der Widmung, die man vorher im Bebauungsplan überprüfen muss.“ Dabei sei es dann oft so, dass der Balkon über eine Baufluchtlinie auskrage, und er dürfe dann, je nachdem, welche Widmung darunter sei, eine Länge von einem Drittel respektive der Hälfte der jeweiligen Gebäudefront haben. „Und man muss in der Regel drei Meter Abstand zur Grundgrenze einhalten; die mögliche Balkontiefe sind 2,5 Meter, vorbehaltlich dessen, dass man für darunter liegende Aufenthaltsräume den Belichtungsnachweis erbringen kann“, erklärt Mayer. Für die Balkontür werde einfach das Mauerwerk unter einem Fenster abgebrochen und statt dem Fenster eine Tür eingesetzt.
Grundsätzlich gilt die OIB-Richtlinie
Die planerischen und baulichen Herausforderungen in diesem Zusammenhang sind jedenfalls, österreichweit betrachtet, ein relativ komplexes Thema – auch weil es von einem Bundesland zum anderen teilweise eklatante Unterschiede gibt. Emanuel Hutter, Leeb Balkone: „Grundsätzlich gilt für diese Anbaubalkone die OIB-Richtlinie, die aber unterschiedlich interpretiert wird. In jedem Fall ein großes Thema in diesem Zusammenhang ist – neben dem Abstand zu Nachbargrundstücken und dem Belichtungsnachweis für unterhalb vom Balkon liegende Aufenthaltsräume – der Brandschutz, sprich: dass der Balkonturm der Gebäudeklasse und dessen Brandschutz entspricht.“ Kundenseitig sei definitiv darauf zu achten, dass – wenn auch nicht von der Behörde vorgeschrieben – eine statische Berechnung des Balkons vorliege. Diese Punkte seien bei der Planung die größten Herausforderungen. Wenn aber diese Punkte berücksichtigt würden, stehe einem Balkonanbau nichts im Wege. Die Firma Leeb biete dabei zwei Montagevarianten an: Für größere Objekte die Montage von vorgefertigten Balkonebenen mittels Kran, um eine deutliche Verkürzung der Bauzeit zu erzielen. Aber auch die Montage der Balkone in Einzelteilen, was die bevorzugte Montagevariante für Innenhöfe in Städten darstelle.
Für den hofseitigen Anbau gibt es naturgemäß weniger Vorschriften. Bei der – naturgemäß aufwändigeren –straßenseitigen Balkonnachrüstung, in Wien seit der letzten Bauordnungsnovelle auch erlaubt, ist auf jeden Fall auch auf das örtliche Stadtbild Rücksicht zu nehmen. „Hier“, so Hutter, „dürfen dann bei erfüllten baurechtlichen Auflagen die Balkone sogar über die Baulinie oder Straßenfluchtlinie gebaut werden, wenn zum Beispiel sichergestellt ist, dass keine Gegenstände auf den darunter liegenden Bereich fallen.“
Wesentliche Wertsteigerung
Jedenfalls bedeutet ein nachträglich angebauter Balkon eine wesentliche Wertsteigerung der Immobilie. „Wohnungen mit Balkon haben nachweislich eine geringere Nutzerfluktuation und geringere Leerstände. Und die Quadratmeter des Balkons werden natürlich auch zu den Quadratmetern Wohnfläche dazuzählt, zwar nicht in vollem Ausmaß, aber mindestens zu 25 Prozent und in guter Lage zu 50 Prozent“, sagt der Leeb-Produktmanager. Expertenmeinungen würden von einer Steigerung des Wertes einer Immobilie von ca. 10 Prozent durch einen Balkon ausgehen.
Clemens Mayer von Easybalkon: „Der Wert eines Quadratmeters Balkons ist fast gleichzusetzen mit einem Quadratmeter Wohnnutzfläche; teilweise ist beispielsweise eine Wohnung mit 120 Quadratmetern Wohnnutzfläche und 5 Quadratmetern Balkon sogar teurer als eine Wohnung mit 125 Quadratmetern ohne Balkon.“ Für Eigennutzer sei es auf jeden Fall sehr attraktiv, wenn man, grob gerechnet, 1.500 Euro pro Quadratmeter in den Balkon investiere und der Quadratmeter am Ende 4.000 - 5.000 Euro wert sei. Für Vermieter sei es etwas anderes, da sei es schwierig bzw, nur sehr langfristig möglich, die Investition in einen Balkon über die Miete hereinzubringen, zumal im Richtmietzinsbereich.
Und wie viel kostet so ein nachträglicher Balkonanbau? Emanuel Hutter: „Pauschal ist das schwer zu sagen, wir realisieren zum Beispiel bei großen Serien für Wohnungsunternehmen Balkone auch schon für 700 Euro pro Quadratmeter – ohne Baumeisterarbeiten.“ Bei einem abgehängten Balkon mit einem speziellen Geländermodell in einem Wiener Innenhof wiederum könne man schon auf 1.500 Euro oder mehr pro Quadratmeter kommen. Ein durchschnittlicher Preis bewege sich in etwa um die 1.000 Euro den Quadratmeter rein für die Balkonleistung, Baumeisterarbeiten müssten gegebenenfalls noch berücksichtigt werden.
Rechtlich zunehmend leichter durchzusetzen
„Die Kosten für eine Balkonnachrüstung hängen davon ab, was alles dabei ist“, weiß auch Clemens Mayer von Easybalkon: „Ob es zum Beispiel ein Einzelbalkon im 5. Stock mit 3 Quadratmetern ist, der einen exorbitanten Quadratmeterpreis hat, oder ein Balkonturm mit mehreren Balkonen übereinander. Auch ob es eine Kunststofftüre ist oder eine Holz-Alu-Türe, welche Spengler-Leistungen erforderlich sind und welcher Boden.“ Grob könne auch er sagen: Es fange bei 1.500 Euro pro Quadratmeter an, wo schon einiges dabei sei. Und es sei immer auch die Frage, welche Preise man vergleiche – nur den Preis für das Stahlgerüst oder auch für die Planung, die Statik, die Einreichung.
Und last but not least: Müssen zum Beispiel bei Wohnungseigentumsgemeinschaften einer Bakonnachrüstung alle zustimmen? Emanuel Hutter: „Grundsätzlich müssen alle Miteigentümer ihre Zustimmung zu dem geplanten Anbau eines Balkons geben. Mittlerweile gibt es jedoch auch die Möglichkeit, im Zuge der so genannten ,Ortsüblichkeit‘ einzelne Zustimmungen rechtlich zu umgehen.“ Mit den steigenden Balkonnachrüstungen werde es immer leichter, die Realisierung eines solchen Projektes rechtlich durchzusetzen.