Bestellerprinzip als Mogelpackung für Mieter
Am 23. Februar 2023 war es so weit: Nach diversen Verzögerungen – die OIZ berichtete – wurde das Bestellerprinzip im Bautenausschuss dingfest gemacht. In weiterer Folge wurde die Gesetzesänderung am 1. März 2023 im Nationalratsplenum beschlossen. Am 1. Juli 2023 wird sie in Kraft treten.
Der Fachverband der Immobilien- und Vermögenstreuhänder sprach sich in diesem Zusammenhang erneut vehement gegen die Einführung eines Bestellerprinzips aus. Zu diesem Zweck erging am unter anderem kürzlich ein persönlicher Brief an die Mitglieder des Bautenausschusses der ÖVP. „Mit der Einführung eines Bestellerprinzips können Immobilienmakler ihre umfassenden Informations- und Aufklärungsverpflichtungen gegenüber Mieterinteressenten nicht mehr erfüllen. Der potenzielle Mieter ist dem Markt somit schutzlos ausgeliefert. Dies ist nicht im Sinne des Konsumentenschutzes,“ warnte der Obmann des Fachverbands der Immobilien- und Vermögenstreuhänder Gerald Gollenz in dem Schreiben. Und weiter: „Der vorliegende Entwurf ist aus Sicht des Fachverbands untauglich und unausgereift, da er noch immer unbestimmte Gesetzesbegriffe enthält und damit für alle Beteiligten große Rechtsunsicherheit besteht.“
Hohe Verwaltungsstrafen bei Verstößen
Neben den verheerenden Nachteilen für Mieter wird die Einführung des Bestellerprinzips für eine ganze Branche zu einer massiven Bedrohung. Gollenz erläuterte: „Dieser überschießende Eingriff in die unternehmerische Erwerbstätigkeit hat für Immobilienmakler und ihre Mitarbeiter erhebliche wirtschaftliche Einbußen bis hin zur Existenzgefährdung zur Folge.“
Denn die Zahlen aus Deutschland lassen aufhorchen: Etwa die Hälfte der Maklerunternehmen, die an einer vom deutschen Justizministerium beauftragten Umfrage teilnahmen, verzeichneten nach der Einführung des Bestellerprinzips 2015 Umsatzeinbußen von durchschnittlich 37 Prozent. In Österreich gibt es aktuell 5.811 aktive Maklerunternehmen, die von den neuen Paragraphen betroffen sin. Die Änderung des Maklergesetzes sieht darüber hinaus hohe Verwaltungsstrafen für Verstöße vor. Der Fachverband wertet das als grundlose Kriminalisierung und Vorverurteilung einer ganzen Branche.
Kritischer Blick nach Deutschland
Das Bestellerprinzip wird oft als Maßnahme für leistbares Wohnen angeführt, allerdings zeigen Zahlen aus Deutschland – wo es wie erwähnt 2015 eingeführt wurde – ein anderes Bild. Nach der Analyse deutscher Marktberichte befürchtet die WKO durch die Einführung des Bestellerprinzips in Österreich den Rückgang des Immobilienangebots um 30 bis 40 Prozent. Die Folgen: Der Markt wird intransparenter und Wohnungssuchende werden in Zukunft wesentlich mehr Zeit und Geld aufwenden müssen, um eine passende Bleibe zu finden, da das sichtbare Angebot signifikant schrumpfen wird. Ergänzend müssten sich Mieter in spe rechtliche und fachliche Unterstützung extern einkaufen, wenn sie als Laien einem professionellen Vermieter gegenüberstehen. Das verursacht zusätzliche und unnötige Kosten.
Gollenz führte in seinem Brief weiter aus: „Bislang konnte der Mieter damit rechnen, dass er für die Anmietung einer Wohnung inklusive der Informations- und Aufklärungspflichten des Immobilienmaklers bei einem Drei-Jahres-Vertrag eine Monatsmiete als Provision bezahlen muss. In Zukunft kann es ihm passieren, dass der Vermietungsaufwand in die Miete eingepreist wird und er über den Zeitraum monatlich eine höhere Summe bezahlt.“ Der Fachverbandsobmann resümierte: „Bei näherer Betrachtung stellt sich das Bestellerprinzip zwangsläufig als unbrauchbare Mogelpackung für die Mieter heraus, die am Ende des Tages erheblichen Mehraufwand bei der Immobiliensuche haben werden und einer Fülle an Unsicherheiten sowie Gefahren gegenüberstehen.“
Auch der ÖVI warnt
Der Österreichische Verband der Immobilienwirtschaft (ÖVI) wählte unter anderem ebenfalls die Form eines offenen Briefes, um vor dem Bestellerprinzips zu warnen. Der Entwurf entspreche über weite Strecken der vielzitierten deutschen Regelung, ohne zu berücksichtigen, dass der österreichische Mietmarkt weit stärkeren Reglementierungen unterworfen ist. Der von der absoluten und relativen Anzahl her überproportional relevante Mietmarkt der Metropolregion Wien ist großteils dem Richtwertmietzins-Regime unterworfen. Der Vermieter kann die Vermarktungskosten nicht in den Mietzins einpreisen. Gleichzeitig hat der Mieter – anders als in Deutschland – ein vorzeitiges Kündigungsrecht nach einem Jahr.
Auch aus technischer Sicht ist der vorliegende Entwurf laut dem ÖVI nicht überzeugend. Unklare Gesetzesbegriffe, wie etwa „andere maßgebliche Personen“ oder ein nicht näher definierter „Einfluss“, lassen daran zweifeln, dass sie – im Zusammenhang mit Verwaltungsstrafen – dem Bestimmtheitsgebot des Art. 18 der Bundesverfassung entsprechen. Weiters wurde in dem Brief darauf hingewiesen, dass Vermieter hierzulande vom Gesetzgeber einseitig belastet werden. Eine Vorgangsweise, die in jüngster Zeit schon fast Routine habe: man denke nur an die fehlenden Covid- 19-Regelungen für Vermieter oder an die mehrmalige Aussetzung von gesetzlichen und vertraglich vereinbarten Wertsicherungen.
Wie der Fachverband bemängelt der ÖVI, dass den Bürgern versprochen werde, dass mit dem Bestellerprinzip eine nachhaltige Entlastung der Wohnkosten verbunden sei. Nicht eingerechnet sei dabei, dass Wohnungssuchende in Zukunft weitaus mehr Zeit in die Suche investieren müssen, dass das Angebot intransparenter werde und dass die Beratungs- und Serviceleistung des Maklers wegfallen werden.
Veranstaltungen zum Bestellerprinzip (und zum Marktplatz)
Die Fachgruppe Wien der Immobilien- und Vermögenstreuhänder lädt am 17. März 2023 von 9 bis 12 Uhr gemeinsam mit dem ÖVI zu einer Informationsveranstaltung zum Bestellerprinzip. Diese findet in der Grand Hall des Erste Campus in 1100 Wien statt. Details: www.wko.at/wien/immo
Auch online wird am 17. März 2023 über das Bestellerprinzip informiert. Konkret veranstaltet der Fachverband der Immobilien- und Vermögenstreuhänder in Kooperation mit dem ÖVI um 13 Uhr ein Webinar, bei dem auch der Marktplatz für Immobilienmakler Thema sein wird. Details: www.immowebinar.at