„Das Pendel wird rasch zurückschlagen“

Vermietung
03.11.2023

Von: Redaktion OIZ
Am 1. Juli 2023 trat hierzulande das Erstauftraggeberprinzip in Kraft. KommR Arno Wimmer und Philipp Sulek berichten auf Basis eines aktuellen Monitorings, wie es den Immobilienmarkt seither veränderte.

Graphisches Auge
Das Monitoring wird vom ZT Datenforum durchgeführt.

OIZ: Warum veranlasste der Fachverband der Immobilien- und Vermögenstreuhänder ein Monitoring des Erstauftraggeberprinzips?

ARNO WIMMER: In Deutschland zeigte sich, dass kurz nach der dortigen Einführung im Jahr 2015 weniger Mietobjekte auf dem Markt sichtbar wurden und dass sich etliche Makler zurückgezogen haben beziehungsweise in andere Segmente ausgewichen sind. Wir wollen wissen, wie sich das Bestellerprinzip auf den österreichischen Mietwohnungsmarkt für Mieter und Makler auswirken wird.

OIZ: Wie läuft dieses Monitoring ab?

PHILIPP SULEK: Es wird vom ZT-Datenforum mit Sitz in Graz durchgeführt. Geschäftsführer Dieter Leitner und seine Mitarbeiter ziehen dazu alle auf den relevanten Plattformen veröffentlichten Mietwohnungsinserate heran. Nachdem sie die Duplikate aussortiert haben, analysieren sie die Anzeigen. Das Monitoring erfolgt quartalsweise. Das ZT-Datenforum eruiert im Zuge dessen beispielsweise auch, wie sich die Mitarbeiterzahlen bei den Maklerunternehmen entwickeln.

WIMMER: Das Monitoring erfasst sowohl private als auch gewerbliche Anbieter. Dabei gilt es zu beachten, dass die Eingabequalität, insbesondere bei den Privatanzeigen, stark variiert, mehrfach auch die Mietpreise erheblich über den Marktpreisen angegeben werden.

Mann in grauem Anzug
KommR Arno Wimmer, Berufsgruppensprecher der österreichischen Immobilienmakler und geschäftsführender Gesellschafter der Re/Max Conterra Immobilien GmbH in Innsbruck: „Man muss im Auge behalten, dass sich aufgrund der am 1. August 2022 in Kraft getretenen KIM-Verordnung die Mieterstruktur ändert.“

OIZ: Was sind die Kernaussagen der ersten Marktbeobachtungsphase?

WIMMER: Eine der Kernaussagen ist, dass vom ersten zum zweiten Quartal 2023 die Inserate von gewerblichen Anbietern spürbar zurückgingen, während die privaten Anzeigen – bei deutlich längerer Vermarktungsdauer – leicht zunahmen. Unterm Strich reduzierte sich das Gesamtangebot, sodass es für Mietinteressenten schwieriger wird, eine passende Mietwohnung zu finden. Selbstverständlich zeigen sich Unterschiede zwischen ländlichen Regionen und den Städten.

SULEK: Dazu, dass die Privatinserate zunahmen, möchte ich ergänzen, dass der Großteil der Vermieter sehr wohl weiterhin ihre Makler beauftragt. Vereinzelt versuchen Privatpersonen jetzt, diese Aufgabe selbst zu übernehmen. Ich glaube, dass das Pendel rasch zurückschlagen wird. Wenn ihnen klar wird, welch intensiven Prozess eine Vermietung darstellt, welches Know-how erforderlich ist und wie viele Arbeitsstunden hineinfließen, nehmen sie wieder ihre Makler in Anspruch, um die Aufgabe in professionelle Hände zu übergeben. Das wird meiner Meinung nach bereits in der Marktbeobachtung im ersten Quartal 2024 erkennbar sein.

OIZ: Was bedeutet das Bestellerprinzip für Wien mit seinem bekannt hohen Anteil an Mietwohnungen?

SULEK: Die Makler in der Bundeshauptstadt versuchen, den Umsatzrückgang mit digitalisierten Services abzufangen. Das gelingt nur zum Teil. Die Praxis hat gezeigt, dass der Dienstleistungsumfang eine Veränderung durchlebt und die wahrgenommene Leistung für die Mieter subjektiv abnimmt, da ausgewählte Arbeitsschritte digitalisiert werden und das aktive Zutun der Mieter bedingt. Aktuell, und das ist mehreren Umständen wie den hohen Zinsen und der KIM-Verordnung geschuldet, verbuchen wir deutlich mehr Wohnungssuchende pro Wohnung. Wir sind gezwungen, den Selektionsprozess vor der Besichtigung zu intensivieren. Das wissen auch die Interessenten bereits und bringen zu Erstbesichtigungen ausführliche "Bewerbungsmappen" mit. Leider sind auch die No-Show-Raten und die Rücktritte von bereits verbindlich angenommenen Mietanboten spürbar mehr geworden.

Mann in schwarzem Pullover
Philipp Sulek, Berufsgruppensprecher-Stellvertreter der österreichischen Immobilienmakler und Geschäftsführer von Sulek Immobilien in Wien: „Interessenten bringen zu Wohnungsbesichtigungen in Wien bereits zur Erstbesichtigung ausführliche ‚Bewerbungsmappen‘ mit.“

OIZ: Kann man aus dem Monitoring Schlüsse ziehen, wie sich die Mietpreise entwickeln?

WIMMER: Seit Anfang 2022 sind die Portalanfragen für Mietobjekte spürbar gestiegen und die Nachfragen nach Kaufobjekten gefallen. Seit Ende des zweiten Quartals 2023 sind die Nettomieten österreichweit geringfügig gesunken, wobei die Angebote der gewerblichen Anbieter etwa einen Euro pro Quadratmeter günstiger als jene der Privatanbieter sind. Bei den Brutto-Gesamtmieten (inkl. BK) ist jedoch ein leichter Anstieg festzustellen. Die Entwicklung in den einzelnen Bundesländern ist unterschiedlich. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.

Allerdings gilt es festzustellen, dass aufgrund der am 1. August 2022 in Kraft getretenen KIM-Verordnung eine zusätzliche Mieterschicht zu verzeichnen ist. Nämlich jene Personen, die vor dem Zinsanstieg und vor Einführung der KIM-Verordnung Eigentum für die Eigennutzung erworben haben und nunmehr mangels einer Bankenfinanzierung gezwungen sind, eine Mietwohnung zu beziehen. Vielfach betrifft dies eher das hochpreisige Mietsegment.

Hier zeichnet sich ein gesellschaftliches Problem ab. Man darf nicht vergessen, dass Eigentumsbildung eine wichtige Funktion für die Zukunftsvorsorge hat.

OIZ: Wie entwickelt sich die Mitarbeiteranzahl in den heimischen Maklerunternehmen?

SULEK: Die Anzahl der Unternehmen mit fünf bis neun Mitarbeitern sowie jener mit zehn bis 19 Mitarbeitern ist gesunken.

OIZ: Wie geht es mit dem Bestellerprinzip weiter?

WIMMER: Eine unmittelbare Änderung des Bestellerprinzips in dieser Legislaturperiode ist nicht zu erwarten. Die Entwicklung hängt wesentlich von der künftigen politischen Konstellation in Österreich nach der Nationalratswahl ab. Wir hoffen in der folgenden Legislaturperiode auf eine Evaluierung. Unsere Marktbeobachtung soll dafür ein fundiertes Argumentarium liefern.