Bei Bauverfahren die Rute ins Fenster stellen

Bauprojekt
08.05.2024

Von: Redaktion OIZ
Ein zu hundert Prozent probates Mittel gegen schikanöse Einwendungen von Nachbarn gegen Bauvorhaben gibt es derzeit nicht. Im Vorfeld den Dialog zu suchen, kann helfen, kann aber auch kontraproduktiv sein. Wirkungsvoller könnte sein, öfter an die Möglichkeit der Schadenersatzforderung zu denken.

Bauklötze, auf denen "FREE" steht
Fatalerweise ist im Verwaltungsverfahren für die Personen, die Einwendungen erheben oder Berufung einlegen, dies nicht mit Kosten verbunden.

Bauträger, vor allem kleinere, fühlen sich oft überfordert, wenn ihr Bauvorhaben durch Einwendungen von Nachbarn – nicht selten rein mutwillig – verzögert wird. „In Bauverfahren sind die Nachbarn („Nachbarn“ nach Definition des Baurechts, Anm.) meistens zu wenig aufgeklärt, sodass Einwendungen oft gemacht werden, weil keiner weiß, was konkret passiert“, sagt Jennifer Kaufmann, Rechtsanwältin und Immobilienrechtsexpertin. Auf die Information von der Behörde, dass es ein Baubewilligungsverfahren gebe, würden Anrainer oft reflexartig mit Aversion reagieren, weil sie meinten, beeinträchtigt zu sein. Deshalb rate sie, im Vorfeld mehr mit den ihnen zu kommunizieren, Aufklärungsarbeit zu leisten, sie einzuladen und ihnen die Angst zu nehmen, so die Juristin. Da es grundsätzlich keinen Kostenersatz im Verwaltungsverfahren gebe, mache es Sinn, wenn es zur zweiten Instanz komme, noch einmal aktiv die Nachbarn einzuladen, mit ihnen zu sprechen und ihnen klarzumachen, dass im Endeffekt eine Verzögerung nicht viel mehr bringe. Es gehe ums „gemeinsame Abholen“.

Peter Oberlechner, Partner der Kanzlei Wolf Theiss, ist vom Erfolg dieses „Abholens“ nur bedingt überzeugt. Ja, diese Mühe mache man sich oft nicht, aber das könne verschiedene Gründe haben: „Ein möglicher Grund ist, dass man sich denkt, wenn das Bauvorhaben ,unterm Radar’ bleibe, also nicht so sehr auffalle, könnten auch weniger negative Reaktionen kommen. Im Vorfeld die Nachbarn zu einem informativen Gespräch einzuladen, wird in der Realität möglicherweise wenig daran ändern, dass Menschen, die davon erfahren, trotzdem oder vielleicht sogar umso ,animierter’ Einwendungen einbringen“, so Oberlechner.

Mann in schwarzem Anzug
Peter Oberlechner, Partner der Kanzlei Wolf Theiss: „Es gibt zunehmend die Tendenz, mutwillig Einwendungen vorzubringen, nur um ein Verfahren zu verzögern.“

Nicht immer durch Recht gedeckt
Dieses Problem stellt sich übrigens nicht nur für Bauträger, sondern auch für Private, die um eine Baubewilligung ansuchen. Insofern haben alle, die ein Bauvorhaben verfolgen, das Problem, dass es für die Nachbarn unschwer ist, Einwendungen in Bauverfahren vorzubringen, die dann auch durch die Behörde behandelt werden müssen. Wobei die Einwendungen, die kommen, nicht immer sind durch das Recht gedeckt sind. Die unterschiedlichen Landesbauordnungen erlauben zulässige Einwendungen nur im Bereich von geschützten Nachbarrechten, etwa die Einhaltung des Seitenabstands oder die Höhe des Bauwerks betreffend. „Und hier gibt es zunehmend die Tendenz, dass Personen mutwillig Einwendungen vorbringen, nur um ein Verfahren zu verzögern, teilweise aus Boshaftigkeit, um es dem Bauwerber möglichst schwer zu machen“, sagt Oberlechner. Auch Martin Foerster, Leiter der Real Estate Praxisgruppe bei Pitkowitz & Partners, beobachtet, dass es vermehrt zu Rechtsmitteln der Nachbarn kommt: "Die Nachbarrechte in der Bauordnung sind zwar sehr eingeschränkt (der „berühmte“ § 134a BO für Wien). Es reicht aber, wenn ein Nachbar bloß behauptet, dass eines der subjektiv-öffentliche Nachbarrechte betroffen ist. Dies muss dann vom Landesverwaltungsgericht geprüft werden."

Als Rechtsvertreter könne man dabei manchmal mit formalen Argumenten unterstützen. Zum Beispiel dürfe vor dem Landesverwaltungsgericht nur das behandelt werden, was schon Gegenstand des Bauverfahrens vor der Baubehörde war. Werfe der Nachbar in der zweiten Instanz neue Fragen auf, so dürfe das Gericht darauf gar nicht eingehen. "Ganz wichtig ist die mündliche Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht. Hier sollte neben dem Bauwerber selbst auch der Planverfasser anwesend sein", sagt Foerster, "denn oft stößt sich der Richter an Kleinigkeiten, die durch eine Planänderung rasch behoben werden können. Wenn man das direkt bespricht, kann das Verfahren erheblich abgekürzt werden, und es müssen nicht unnötig Aufträge unter Fristsetzung erteilt werden."

Frau in blauem Blazer
Jennifer Kaufmann, Rechtsanwältin und Immobilienrechtsexpertin: „Mit den Nachbarn sprechen und ihnen klarmachen, dass im Endeffekt eine Verzögerung nicht viel mehr bringe.“

Die Behörde muss sich also mit diesen Einwendungen beschäftigen und dann darüber entscheiden. Der Nachbar erwirkt durch seine Einwendungen Parteistellung im Verfahren und hat dann auch theoretisch die Rechtsmittelbefugnis. Das heißt, der Nachbar, über dessen Einwendung abgesprochen wurde, und sei es auch abschlägig, kann Rechtsmittel gegen die Entscheidung ergreifen und zum Verwaltungsgericht gehen. Im Verwaltungsverfahren ist für die Personen, die Einwendungen erheben oder Berufung einlegen, dies nicht mit Kosten verbunden. Sehr wichtig sei, so Oberlechner weiter: „Wenn jemand mit schikanösen, nur aus Boshaftigkeit und mit Schädigungsabsicht vorgebrachten Einwendungen konfrontiert ist, die allesamt nicht fundiert sind, das Verfahren aber verzögert wird und nachweislicher Schaden entsteht – dann hat der Geschädigte die Möglichkeit, zivilrechtlich Schadenersatz zu verlangen.“ Dieser Weg, den man auch ohne Rechtsänderung schon auf Grundlage der geltenden Gesetze gehen könne, sei seiner Meinung durchaus zu überlegen. Und zwar, wenn jemand, ob Bauträger oder Privatperson, durch ein rein mutwillig geführtes Verfahren viel Zeit verliere und geschädigt werde. Das sei dann ein Schadenersatzanspruch gemäß § 1295 Abs. 2 ABGB – Schaden, der aufgrund des Mutwillens in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise absichtlich verursacht werde. In der rechtlichen Literatur sei darüber hinaus sogar die Ansicht vertreten worden, dass schon lediglich unberechtigte Einwendungen zu Schadenersatzansprüchen gemäß § 1295 Abs 1 ABGB führen könnten.

Mann in dunkelblauem Anzug
Martin Foerster, Leiter der Real Estate Praxisgruppe bei Pitkowitz & Partners: "Wir beobachten ebenfalls, dass es vermehrt zu Rechtsmitteln der Nachbarn kommt."

Mutwillensstrafen könnten Zeichen setzen
Besonders schwierig ist die Situation, wenn es einen Mix aus zulässigen und unzulässigen Einwendungen gibt. Dreierlei könnte Oberlechners Meinung nach geschehen: „Erstens könnte die Behörde, wenn ein Nachbar Einwendungen erhebt, im Verfahren selber aktiv klarstellen, was aufgrund geltender Rechtslage zulässige und was unzulässige Einwendungen sind.“ Nicht um etwas von vornherein schon abzuschmettern, aber es könne eine hilfreiche Belehrung sein: „Wenn die Leute wissen, was überhaupt relevant ist und was nicht, ziehen sie womöglich unzulässige Einwendungen zurück oder erheben sie gar nicht.“ Und: „Es wäre sinnvoll, dass die Behörde im Fall von offenkundig nur mutwillig vorgebrachten Einwendungen Mutwillensstrafen gemäß § 35 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) verhängt.“ Die seien zwar – mit einer Höhe von bis zu derzeit 726 Euro – eher nur symbolisch, setzten aber dennoch ein Zeichen. Und eine Verhängung wäre für anschließende zivilrechtliche Ansprüche wohl nützlich. „Ich glaube generell, dass durch mutwillig vorgebrachte Einwendungen Geschädigte durchaus öfter in Aussicht stellen könnten, Schadenersatzforderungen zu erheben. Das könnte bei dem einen oder anderen Nachbarn, der nur auf Verhinderung aus ist, zu mehr Bedachtsamkeit führen.“

Einwendungen von Nachbarn im Bauverfahren sind ein schwieriges Thema. Peter Oberlechner fasst zusammen: „Ein zu hundert Prozent probates Mittel gegen auch sinnlose Einwendungen gibt es derzeit nicht. Die bessere Information der Nachbarn im Vorfeld und der Dialog mit ihnen kann manchmal helfen. Aber wie gesagt, das kann auch kontraproduktiv sein, wenn dadurch verstärkt die Aversion gegen ein Bauvorhaben geweckt wird.“ Wirksamer sei seiner Meinung nach, denjenigen, die nur aus Prinzip und justament Einwendungen erhöben, die Rute ins Fenster zu stellen und klarzustellen: „Lieber Nachbar, wenn du Unsinniges vorbringst, wenn du dir zum Beispiel sichtlich nicht die Mühe machst, die Pläne auch nur zu lesen – wenn du etwa nicht nachmisst und lediglich behauptest, der vorgeschriebene Seitenabstand würde nicht eingehalten – dann, werde ich mir, wenn es mich Zeit kostet und mir daraus Schaden erwächst, überlegen, diesen Schaden dir gegenüber auch geltend zu machen.“