Fünf Jahre städtebauliche Verträge in Wien

Wien
06.11.2019

 
Die „Kinderkrankheiten“ des noch jungen Instruments scheinen behoben. Luft nach oben bleibt.
Blick auf Triiiple: Zur Erfüllung des städtebaulichen Vertrags musste eine Überplattung der A4 samt Lärmschutzgalerie errichtet werden.
Blick auf Triiiple: Zur Erfüllung des städtebaulichen Vertrags musste eine Überplattung der A4 samt Lärmschutzgalerie errichtet werden.

Am 24. Oktober 2019 meldete sich die WertInvest zum Projekt Heumarkt zu Wort. „Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hält in seiner Entscheidung fest, dass er selbst inhaltlich die Frage der Umweltverträglichkeitsprüfung nicht behandelt, weil es sich nach Ansicht des VfGH dabei um keine verfassungsrechtliche Frage handelt. Das bedeutet, dass die Rechtssache nun vom Verwaltungsgerichtshof zu behandeln ist“, erklärte Geschäftsführerin Daniela Enzi. Das Projekt stockt also. Und zwar, obwohl bereits im Juni 2017 die Flächenwidmung beschlossen wurde. Es folgten die Festlegung der Bebauungsbestimmungen und im November vorigen Jahres die Baueinreichung. Damit liegen eine Flächenwidmung sowie ein rechtsgültiger Bebauungsplan vor. Ebenso gibt es einen städtebaulichen Vertrag mit der Stadt Wien. Schließlich ist der Heumarkt beim Stadtpark gemeinsam mit dem Hochhaus-Ensemble Triiiple am Donaukanal und dem Wohnturm Danube Flats an der Neuen Donau das bekannteste Projekt in Wien, zu dem ein derartiges Vertragswerk existiert. Dass der Heumarkt – erneut – eine Zwangspause einlegt, begründet sich nicht in seinem städtebaulichen Vertrag.

Diese Tatsache außen vor, feiert das Instrument heuer sein fünfjähriges Bestehen in der Bundeshauptstadt. Man schrieb 2014, als die städtebaulichen Verträge mit der Wiener Bauordnungsnovelle entstanden. Sie berechtigen zum Abschluss privatrechtlicher Vereinbarungen mit Grundstückseigentümern. Ziel war und ist es, die Verwirklichung von Planungszielen zu unterstützen sowie insbesondere Grundeigentümer an den Infrastrukturkosten, die durch die Umwidmung ihrer Flächen anfallen, zu beteiligen. Mittels städtebaulicher Verträge werden ergo Entwickler und Investoren in die Pflicht genommen, auch allgemeine Kosten, die im Zuge ihrer Bauprojekten entstehen, zu übernehmen. Die Lasten bei der Errichtung neuer Stadtteile sollen gerechter verteilt werden. Schließlich benötigen diese Wege, Plätze, Parks, Schulen, Kindergärten etc.

Etliche Verhandlungsrunden

Was bedeutet das in der Praxis? Soravia und Austrian Real Estate (ARE) realisieren das bereits erwähnte Triiiple. Hans-Peter Weiss, Managing Director von ARE, erklärt: „Die Maßnahmen umfassten die Errichtung der Überplattung der A4 samt Lärmschutzgalerie sowie die straßenbauliche Anbindung an die A4. Weiters erfolgte die finanzielle Unterstützung für die Einrichtung einer Kinderbetreuungseinrichtung im Triiiple-Komplex, die Erweiterung der Volksschule Dietrichgasse sowie Verbesserungsmaßnahmen beim Fuß- und Radweg im Bereich der Stadionbrücke.“

Der städtebauliche Vertrag für das Triiiple wurde im Rahmen des Widmungsprozesses verhandelt und vor Beschlussfassung der Umwidmung durch den Gemeinderat durch den Projektwerber einseitig unterfertigt übermittelt. Die Gegenzeichnung durch die Stadt Wien erfolgte nach Genehmigung im Gemeinderat final am 30. Juli 2015. „Wie bei derartigen Verhandlungen notwendig, wurde für das Triiple eine Vielzahl an Runden absolviert. Dies war vor allem der Komplexität des Projektes geschuldet. Im Hinblick auf die Projektgröße und die städtebaulichen Zielsetzungen nahm dies auch entsprechend viel Zeit in Anspruch. Prägend für den Prozess war mit Sicherheit die sehr enge und gute Zusammenarbeit mit dem Bezirk. Darüber hinaus mussten einzelne Leistungspflichten mit Dritten – wie zum Beispiel mit der Asfinag betreffend Überplattung ­– verhandelt werden, was zusätzliche Gesprächsrunden erforderlich machte“, berichtet Weiss.

Kalkulierbarkeit gefordert

Stichwort Überplattung der A4: Hier drängt sich die Frage auf, wer neben deren Instandhaltungskosten zu schultern hat. Die Antwort lautet, dass dafür im Zuge der Projektentwicklung eine Vorauszahlung getätigt wurde. Die verbleibenden, reduzierten Instandhaltungskosten werden tragen Eigentümer über die Betriebskosten. Hans-Peter Weiss resümiert, dass die Erfahrungen punkto Etablierung und Erfüllung des städtebaulichen Vertrags für das Triiiple grundsätzlich positiv ausfielen. Die Zusammenarbeit war stark vom gemeinsamen Wunsch geprägt, ein echtes Vorzeigeprojekt zu realisieren. Und weiter: „Eines wurde als Grundregel für die Zukunft klar ersichtlich: Um einen solchen Prozess erfolgreich zu gestalten, braucht es die frühzeitige und klare Positionierung seitens der involvierten Gemeinde. Diesen Anspruch hat die Stadt Wien erfüllt und ist entsprechend konstruktiv und mit konkreten Zielsetzungen in die Verhandlungen gegangen. Das ist auch notwendig, um einzelne Maßnahmen und letztlich das gesamte Projekt kalkulierbar zu machen.“   

Rudolf Pekar, Partner bei der Fellner, Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH, beriet bei einem wesentlichen Teil der bis dato in Wien abgeschlossenen städtebaulichen Verträge die Projektwerber. Seine Bilanz nach fünf Jahren ist ebenfalls positiv – mit Einschränkungen wie: „Eine Verbesserungsmöglichkeit bei der Vorhersehbarkeit der Leistungspflichten und Kosten ist durchaus gegeben.“

Unterm Strich scheinen die „Kinderkrankheiten“ der städtebaulichen Verträge in Wien behoben. Luft nach oben bleibt. Das eigentliche, hochpolitische Thema vor diesem Hintergrund ist, wie und wohin sich die österreichische Bundeshauptstadt und mit ihr ihr Immobilienmarkt entwickelt.