Bauordnung - Stadtbild

„Vielversprechende Gesprächsrunden gestartet“

Claudia Aigner
17.02.2025

Architektin Sophie Ronaghi-Bolldorf wirft die Frage auf, ob es für den Gesetzgeber ein Stadtbild außerhalb der dörflichen, gründerzeitlichen Strukturen gibt. Die Kritik der Fachwelt kam mittlerweile in der Wiener Verwaltung an.

OIZ: Seit wann kommt in Wien das Stadtbild zum Tragen?

SOPHIE RONAGHI-BOLLDORF: Seit 1930. Um störende Wirkungen wie sichtbar bleibende Feuermauern zu verhindern sowie um Einfluss auf Bauform, -stoff und Farbe nehmen zu können, führte man damals die Stadtbildregelung in der Stammfassung der Wiener Bauordnung ein. Außerdem wurde unter anderem die Anbringung von Lichtreklamen auf Dächern festgelegt. Im historischen Rückblick beobachte ich, dass mit der Definition des Stadtbilds in der Bauordnung zunehmend auch andere Ziele verfolgt als die ursprünglich intendierten verfolgt werden.

 

OIZ: Springen wir ins Jahr 2018.

RONAGHI-BOLLDORF: Mit dem Initiativantrag zur Änderung der Bauordnung wollte die Wiener Stadtregierung 2018 den Abbrüchen von Gründerzeithäusern, deren Mieten durch das Mietrechtsgesetz gedeckelt und daher leistbar, aber oft für den Vermieter nicht mehr wirtschaftlich sind, einen Riegel vorschieben. In der Folge wurden diese Gebäude, die aus Gründen des öffentlichen Interesses an ihrer Wirkung auf das Stadtbild nicht abgerissen werden durften, mit Dachgeschoßen und Balkonen erweitert. Diese teilweise großvolumigen Neu-/Zubauten veränderten das Stadtbild in den bis in 2000er-Jahre nahezu unveränderten Gründerzeitgebieten, insbesondere außerhalb von Schutzzonen. Das ist im Grunde eine positive Entwicklung, die Gebiete und Häuser aufwertet. Dieses bewusst sichtbar gehaltene Neben- beziehungsweise Übereinander von Alt und Neu bildet außerdem eine traditionelle Wiener Qualität.

Frau in beigem Kleid
Sophie Ronaghi-Bolldorf: „Aus der Sicht der Architekten kann eine geordnete Stadtplanung nicht alleine über das Stadtbild geregelt werden.“
Credit: Wilke

 

OIZ: Gegen diese Entwicklung sollte die Wiener Bauordnungsnovelle 2023 ansteuern, richtig?

RONAGHI-BOLLDORF: Ja, denn das vorhandene Stadtbild sollte auch dann berücksichtigt werden, wenn es nicht der beabsichtigten Stadtplanung entspricht. Dafür wurde im Begutachtungsentwurf zur Novelle der Wiener Bauordnung der Absatz 2a im § 85 vorgeschlagen. Dieser berücksichtigte beispielsweise eine aufgelockerte kleinvolumige Struktur im Stadtbild, wo aber eine geschlossene urbane im Bebauungsplan vorgesehen ist. In der Folge hätte man bei Neu- oder Zubauten auf das Erreichen der vorgesehenen Ausnutzbarkeit, wie auf Gebäudehöhe und damit auf Geschoße und Nutzflächen, verzichten müssen; also auf Balkone, raumbildende Aufbauten am Dach – vormals Gaupen – etc.

 

OIZ: Wie ist der Standpunkt von Architekten und Immobilienentwicklern?

RONAGHI-BOLLDORF: Aus der Sicht der Architekten kann eine geordnete Stadtplanung nicht ausschließlich über das Stadtbild geregelt werden. Aus Sicht der Immobilienentwickler ist in einer geordneten Stadtplanung die Rechtssicherheit Voraussetzung für effiziente, zielorientierte Bauverfahren.

 

OIZ: Wie erfolgte die Beschlussfassung der Wiener Bauordnungsnovelle 2023?

RONAGHI-BOLLDORF: Auch wenn letztlich verhindert werden konnte, dass der Absatz 2a in das Gesetz Eingang fand, blieb in den Köpfen der Politik und der Verwaltung haften, welche Macht über das Stadtbild möglich ist. Darunter wird in erster Linie der Schutz des Welterbes und der Gründerzeit verstanden. Die Novelle 2023 erhöhte diesen weiter. Da stellt sich die Frage, ob der Gesetzgeber das Stadtbild in den dörflichen, gründerzeitlichen Strukturen einfrieren will. Tatsächlich kann aufgrund der gesetzlichen Grundlagen die Errichtung von Bauwerken sowie die Änderung an ihnen unzulässig sein, wenn das örtliche Stadtbild gestört oder beeinträchtigt wird – und somit Neues unmöglich machen.

 

OIZ: Wie ist die Perspektive?

RONAGHI-BOLLDORF: Die Kritik der Fachwelt an der restriktiven, konservatorischen Beurteilung des Stadtbilds in den Bauverfahren sowie in der Stadtplanung seit 2018 und in den letzten Bauordnungsnovellen kam in der Wiener Verwaltung an. Es wurden Gesprächsrunden gestartet, die vielversprechend sind.

 

 

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