Neues vom OGH

21.06.2016

In den vergangenen Wochen hat der Oberste Gerichtshof einige für die Immobilienbranche ­relevante Grundsatzentscheidungen getroffen. Die aktuellsten Fälle im Überblick.

Sondergewährleistungsrecht bei Eigentumswohnungen
Der seinerzeitige Begründer von Wohnungseigentum haftet bei einem Althaus dafür, dass in absehbarer Zeit keine erheblichen Erhaltungsarbeiten notwendig sind, wenn er bei Verkauf einer Wohnung dem Käufer kein Gutachten über den Bauzustand übergibt.

Die Kläger erwarben im Jahr 2009 eine Eigentumswohnung in einem 1910 errichteten Haus vom ursprünglichen Eigentümer. Dabei wurde ihnen kein Gutachten über in absehbarer Zeit erforderliche Erhaltungsarbeiten übergeben. In der Folge stellte sich heraus, dass erhebliche Erhaltungsarbeiten erforderlich sind. Die Kläger klagten den Verkäufer auf Ersatz des auf sie entfallenden Anteils an den Kosten der Erhaltungsarbeiten. Das Erstgericht gab der Klage dem Grunde nach statt; das Berufungsgericht hob diese Entscheidung auf, weil noch ergänzende Feststellungen erforderlich seien. Der Oberste Gerichtshof bestätigte diese Entscheidung (OGH 26. 4. 2016; 
6 Ob 56/16b). 

Gemäß § 37 Abs 4 WEG 2002 haben die Wohnungseigentumsorganisatoren vor oder mit der Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum an Teilen eines Hauses, dessen Baubewilligung zum Zeitpunkt der Zusage älter als 20 Jahre ist, dem Wohnungseigentumsbewerber ein Gutachten über den Bauzustand der allgemeinen Teile des Hauses, insbesondere über in absehbarer Zeit (ungefähr zehn Jahre) notwendig werdende Erhaltungsarbeiten, zu übergeben. Andernfalls gilt ein Erhaltungszustand des Hauses als vereinbart, der in den nächsten zehn Jahren keine größeren Erhaltungsarbeiten erfordert.

Bei § 37 Abs 4 WEG 2002 handelt es sich um eine gesetzlich typisierte Gewährleistungspflicht. Der Beklagte, der seinerzeit am gesamten Haus Wohnungseigentum begründet hat, ist im Sinne dieser Bestimmung als „Wohnungseigentumsorganisator“ anzusehen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass er die Wohnungen sukzessive abverkauft hat. § 37 Abs 4 WEG 2002 ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass sich die Notwendigkeit größerer Erhaltungsarbeiten unter Umständen erst mit einer deutlichen Verzögerung manifestiert. Diese Ratio des Gesetzes erfordert, dass die dreijährige Gewährleistungsfrist erst zu dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, zu dem sich innerhalb von zehn Jahren für den Erwerber die Erforderlichkeit von „größeren“ Erhaltungsarbeiten zweifelsfrei manifestiert.

Eigenheimbau: Verlust der Teilzahlung bei Konkurs des Bauträgers – haftet auch der Liegenschaftsverkäufer?
Klarstellung des Obersten Gerichtshofs zum Bauträgervertragsgesetz.
Herr W. plante, ein Eigenheim zu errichten. Über Anraten der Baufirma (Bauträger) erwarb er das Grundstück über eine Immobilienvertriebsgesellschaft vom Liegenschaftsverkäufer, wofür ihm die Baufirma auch Anbotsunterlagen zur Verfügung stellte. Nachdem W. der Baufirma die erste Teilzahlung geleistet hatte, fiel diese in Konkurs. Der die Ansprüche von W. geltend machende Verband klagte den Liegenschaftsverkäufer auf Rückzahlung der Teilzahlung. Dieser sei aufgrund der „wirtschaftlichen Einheit“ mit der Baufirma ebenfalls als Bauträger anzusehen und hafte deshalb für die Rückzahlung, weil die Teilzahlung nicht nach den Bestimmungen des Bauträgervertragsgesetzes sichergestellt worden sei.

Sowohl die Vorinstanzen als auch der Oberste Gerichtshof (OGH 21. 4. 2016; 
9 Ob 12/16d) erachteten den Anspruch als nicht berechtigt. Der Bauträger hat zwar Zahlungen des Erwerbers an ­einen Dritten (z. B Liegenschaftsverkäufer) zu sichern. Dieser wird dadurch aber selbst bei Annahme einer „wirtschaftlichen Einheit“ nicht zu einem zweiten Bauträger. Ihn trifft daher auch keine Sicherungs- oder Rückzahlungspflicht für ungesicherte Teilzahlungen. Die Klage wurde daher abgewiesen.
 

Rechtsschutzversicherung: Baurisikoausschluss
Der Risikoausschluss nach Art 23.3.1 ARB 1988 erstreckt sich auf die im Zusammenhang mit der Planung und Errichtung von Bauvorhaben stehenden Streitigkeiten. Nach Art 23.3.1 ARB 1988 des zugrunde liegenden Versicherungsvertrags ist die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit der Planung, Errichtung oder einer baubehördlich genehmigungspflichtigen Veränderung eines im Eigentum oder Besitz des Versicherungsnehmers befindlichen oder von diesem zu erwerbenden Grundstücks, Gebäudes oder Gebäudeteils (Wohnung) nicht versichert.
Die Kläger waren Mieter eines Dachbodens. Sie vereinbarten mit einem Unternehmen, diesem als Abfindung für die Herstellung einer konkret beschriebenen Wohnung die Mietrechte am restlichen Dachboden abzutreten. Der Vertrag wurde in der Folge nicht umgesetzt. Vielmehr traten die Kläger die Mietrechte an eine andere Baugesellschaft ab.

In dem zu deckenden Verfahren werden die Kläger von dem Unternehmen auf Schadenersatz wegen Vereitlung der Vertragsumsetzung in Anspruch ­genommen. Die Kläger halten dem unter anderem mangelhafte Planungsleistungen des Unternehmens entgegen.
Dem Haftpflichtprozess liegt eine Streitigkeit zwischen den Klägern und der Schuldnerin der Planungs- (letztlich auch der Errichtungs-)leistungen zugrunde, in dem die mangelhafte Planungsleistung – und daher typische Fragen der Bauplanung – zu prüfen ist. Die Kläger begehren daher Deckung für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus einer Streitigkeit, die mit der Planung und Errichtung im adäquaten Zusammenhang stehen. Der Risikoauschluss gelangt zur Anwendung (OGH 27. 4. 2016; 7 Ob 41/16d).
 

„Schwarzbauten“ – „Untätigkeit“ des Bürgermeisters
Der Bürgermeister ist als Baubehörde erster Instanz verpflichtet, ihm zur Kenntnis gelangte Informationen über die bewilligungslose Errichtung von Gebäuden der Verwaltungsstrafbehörde anzuzeigen. Dem Angeklagten lag zur Last, es als Bürgermeister unterlassen zu haben, die (ihm mitgeteilte) Errichtung von „Schwarzbauten“ der Bezirkshauptmannschaft anzuzeigen und ein Abbruchverfahren einzuleiten. Stattdessen habe er auf eine nachträgliche rechtliche „Sanierung“ durch Änderung des Flächenwidmungsplans hingearbeitet.

Der OGH (OGH 7. 3. 2016; 17 Os 32/15g) hob den Schuldspruch in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wegen mangelhafter Begründung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite auf. Die Entscheidung enthält Aussagen über die (Dauer der) Anzeigepflicht des Bürgermeisters als Baubehörde und die rechtlichen Konsequenzen unterlassener Anzeigeerstattung. Wohngebäude in der Landwirtschaftsversicherung
 

Für ein fast ausschließlich zu landwirtschaftsfremden Zwecken Fremdenbeherbergung) genutztes Gebäude besteht kein Versicherungsschutz in der Landwirtschaftsversicherung. Die Kläger begehrten nach einem Brand­ereignis unter anderem den Ersatz des Schadens an einem der Fremdenbeherbergung dienenden Gebäude. Der Oberste Gerichtshof (GH 6. 4. 2016; 7 Ob 11/16t) verneinte eine Versicherungsdeckung. Nach dem Vertragszweck müssen Objekte, um versichert zu sein, der Landwirtschaft zugeordnet sein. Der Begriff Wohngebäude ist in den Bedingungen nicht näher definiert. Zu den in der Landwirtschaftsversicherung versicherten Wohngebäuden zählen aber nur solche Gebäude, die den (dringenden) Wohnbedarf der Bauernfamilien und (allenfalls) weiterer landwirtschaftlicher Mitarbeiter abdecken. Die der Fremdenbeherbergung dienenden Gebäude unterliegen demnach nicht dem Versicherungsschutz.

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