Immobilienverwaltung

Mehr und mehr Schlussstriche

Anita Orthner
17.02.2025

Die Aufkündigung durch den Verwalter im Wohnungseigentum? Früher undenkbar, aktuell ein immer häufiges vorkommendes Szenario. Die OIZ erfragte die Gründe.

Wohnungseigentümergemeinschaft sucht Verwalter? Geht es nach zahlreichen Branchenvertretern, so ist dieses Szenario längst keine Ausnahme mehr. Denn es herrscht großer Unmut über das Maß an Mehrarbeit bei gleichbleibender beziehungsweise zu geringer Vergeltung der Dienstleistung sowie das mangelnde Verständnis für Honorarerhöhungen. Das Resultat: Verwalter kündigen vermehrt Verträge auf. „Eine Kündigung durch den Verwalter war vor einigen Jahren noch die Ausnahme und kam meist nur in Extremsituationen vor. Oft wurden Konflikte bis zur Kündigung durch die WEG hinausgezögert. Doch die heutigen Rahmenbedingungen und die häufig emotional aufgeheizte Stimmung in den Gemeinschaften zeigen, dass ein proaktiver, geordneter Ausstieg manchmal die bessere Lösung ist – für beide Seiten“, sagt Karl Wiesflecker, Geschäftsführer der Franz Kramas Gebäudeverwaltung.

Doch wie gestalten sich die aktuellen Rahmenbedingungen und worin begründet sich der Mehraufwand? Nicole Fürntrath, Geschäftsführerin der homeBase Immobilienverwaltung, zufolge habe sich das Berufsbild in letzten zwanzig Jahren extrem gewandelt und die Komplexität des Verwalterberufs deutlich erhöht: „Früher war er größtenteils ein klassischer Finanzverwalter, der sich um rein buchhalterische Themen kümmerte. Durch die zahlreichen technischen Neuerungen bei Gebäuden nahm jedoch das Facility Management enorm zu. Hinzu kommen immer mehr Regulatorien wie die Ausweitung des Bauwerksbuchs im Rahmen der letzten Wiener Bauordnungsnovelle. Dadurch wurden dem Verwalter dezidiert viele neue Pflichten überantwortet. Das löst einen Rattenschwanz an Mehrarbeit aus. Dabei ist aber nicht geregelt, wie diese für den Verwalter im Rahmen des Standardhonorars finanziell darstellbar ist.“ Bei Neuübernahmen kann eine entsprechende Abgeltung vertraglich von Anfang an geregelt werden. Was aber mit langjährigen Bestandskunden tun? „Ich spreche das Thema offen in Hausversammlungen an und sage klar, dass ich kündige, wenn es keine Honoraranpassung gibt. Gibt es kein Verständnis dafür, bleibt mir nichts anderes übrig als der WEG aus wirtschaftlichen Gründen zu kündigen“, so Fürntrath. Aus dieser manchmal unvermeidbaren Lösung ergibt sich allerding ein neues Problem, mit dem die Branche konfrontiert wird. „Suchen WEGs einen neuen Verwalter, sind sie schockiert von den Angeboten. Eine Neuübernahme erfolgt dann oft mit einer gewissen Unzufriedenheit dem neuen Verwalter gegenüber und aufgrund des höheren Honorars mit einem Übermaß an Erwartungen – sprich das 24/7-Susi-Sorglos-Paket. WEGs verkennen, dass das Honorar einfach den aktuellen Anforderungen entspricht“, sagt die homeBase-Geschäftsführerin.

Frau in schwarzem Pulli
Nicole Fürntrath, Geschäftsführerin homeBase Immobilienverwaltung: „Wichtig ist eine Sensibilisierung dafür, dass die Verwaltungsleistung heute eine andere ist als noch vor wenigen Jahren und dass der Verwalter mittlerweile viele zusätzliche Haftungen auf sich nimmt. Dieses Gesamtpaket muss entsprechend honoriert werden.“
Credit: derdetter.at

Problem: Reparaturmaßnahmen

Johannes Wild, Geschäftsführer J. u. E. Wild Immobilientreuhänder, spricht in diesem Zusammenhang vom „Drama-Dreieck“: Es gebe die Auflagen nach dem WEG, den Dienstleistungsanspruch der Wohnungseigentümer an die Hausverwaltung und die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Hausverwaltung, das auszugleichen. Wild zufolge liege ein Grundproblem in den individuellen Ansprüchen und Bedürfnissen der Miteigentümer an die WEG, deren Nichterfüllung allerdings der Hausverwalter als Vertreter der WEG negativ zu spüren bekomme: „Der Hausverwalter ist verpflichtet, die gesetzlichen Auflagen zu erfüllen. Ob bei einem Einzelobjekt oder am Gebäude etwas verbessert oder saniert wird, beschließt die Gemeinschaft. Als Hausverwalter ist man nur der Überbringer der Nachricht, jedoch nicht verantwortlich für deren Inhalt. Werden Einzelinteressen nicht berücksichtigt, wird der Nachrichtenüberbringer dafür ‚getötet‘.“

Das sei auch bei beauftragen Reparaturmaßnahmen beobachtbar: „Aufgrund des Fachkräftemangels bei Handwerkern reagieren Unternehmen langsamer oder gar nicht. Das fällt ebenso auf uns zurück. Wir bekommen die Beschwerden, obwohl wir unsere Pflicht erfüllt haben.“ Eine weitere Problematik ist laut Wild, dass nicht immer klar geregelt sei, welche Kosten für Reparaturen oder Services die WEG und welche der Wohnungseigentümer übernehmen müsse. So sei beispielsweise nicht ausjudiziert, ob bei einem Gebrechen der Gegensprechanlage in einer einzelnen Wohneinheit die WEG oder der Eigentümer für die Reparaturkosten aufkommen muss. Das werde von Fall zu Fall unterschiedlich gehandhabt. „Zahlt die WEG nicht dafür, bekommt der Hausverwalter den Ärger des Eigentümers ab. Darin liegt auch begründet, warum er manchmal beschuldigt wird, seine Dienstleistung nicht ordentlich zu erbringen,“ so Wild.

Mann in blauem Anzug
Johannes Wild, Geschäftsführer J. u. E. Wild Immobilientreuhänder: „Die Frage ist, wie die WEG mit einem soziopathischen Eigentümer umgeht. Ein mühsamer, aber gangbarer und manchmal vielleicht sogar notwendiger Weg ist, ihn aus der WEG auszuschließen.“
Credit: Wild Immobilien

Schutz der Mitarbeiter

Verschärft wird die aktuelle Situation durch die gestiegenen Kostenbelastungen für Energie, Erhaltung und Bewirtschaftung. Für Wiesflecker sind sie Auslöser dafür, dass sich bei etlichen Wohnungseigentümern negative Emotionen entwickeln. „Aus meiner Erfahrung beginnen unzufriedene Eigentümer oft, gezielt über verschiedene Kanäle Mitstreiter zu suchen, um ihren Unmut zu verstärken. Dies löst einen Strudel an Beschwerden, Anfragen und teils haltlosen Vorwürfen aus, der sich immer weiter aufschaukelt. Als Verwalter nehme ich immer öfter wahr, dass es praktisch unmöglich ist, bei allem Bemühen um objektive Expertise dieser Dynamik gerecht zu werden, da die Vorwürfe oft weniger auf Fakten als auf Emotionen beruhen“, sagt Wiesflecker. Irgendwann erreiche man in solchen Fällen den Punkt, an dem das Fass überlaufe: „Der Druck wird so groß, dass ein Schlussstrich unvermeidlich im Raum steht.“

Problemtisch ist ferner, dass aus einem Misstrauen heraus oft Dr. Google befragt und der Verwalter dann mit dem aus dem Internet geholten Rechtswissen konfrontiert wird. „Ich bin vielfach damit beschäftig, mich zu rechtfertigen und eine Rechtsbelehrung zu erteilen. Wichtig ist, die Themen so zu benennen, wie sie sind. Für viele Anfragen schicken wir daher vorbereitete Antworten“, berichtet Fürntrath. Für sie ist klar: „Gibt es kein Vertrauen und keine Begegnung auf Augenhöhe, dann tun sich Verwalter die Arbeit nicht mehr an.“

 Auch wenn der Verwalter stets im Interesse der WEG objektiv handle, sei er nicht bedingungslos all diesen Situationen ausgesetzt, betont Wiesflecker: „Der Hausverwalter ist auch Vertragspartner und Unternehmer und nicht unauflösbar an den Vertrag gebunden. Unsere Aufgabe ist es, Kosten und Aufwände im Blick zu behalten, um wirtschaftlich und effizient arbeiten zu können.“ Manchmal geht es im Falle einer Aufkündigung einfach auch um den Schutz der eigenen Mitarbeiter, ergänzt Wild. Die gestiegene Aggressivität und zurückgegangene Geduld sei bei Anrufen „massiv spürbar“, erzählt er: „Wenn es immer wieder passiert, dass Eigentümer besonders ausfällig werden und Mitarbeiter beschimpfen, muss der Arbeitgeber aus der Fürsorgepflicht dem Arbeitnehmer gegenüber Konsequenzen ziehen.“ Kommt es zur unvermeidlichen Trennung – selbst, wenn die Mehrheit der Eigentümer womöglich mit der Arbeit zufrieden ist –, so ist es laut Wiesflecker wichtig, sich nicht von der Emotionalität der Situation mitreißen zu lassen, sondern rational und strukturiert zu handeln: „Transparenz und klare Workflows sind essenziell, etwa durch eine transparente Ankündigung der Kündigung, idealerweise in einer Eigentümerversammlung, und eine geordnete Übergabe aller Unterlagen. So bleibt der Prozess professionell und nachvollziehbar.“

Mann mit Brille in dunklem Anzug
Karl Wiesflecker, Geschäftsführer Franz Kramas Gebäudeverwaltung: „Die heutigen Rahmenbedingungen und die oft emotional aufgeheizte Stimmung in den Gemeinschaften zeigen, dass ein proaktiver, geordneter Ausstieg manchmal die bessere Lösung ist – für beide Seiten.“
Credit: Kramas

Bauwerksbuch bringt noch mehr Arbeit

Alle diese Umstände führen schließlich dazu, dass immer mehr WEG – teils schon verzweifelt – auf der Suche nach einem Verwalter sind. Auch gibt es bereits WEGs, die ohne Verwalter dastehen beziehungsweise für die vom Gericht eine Zwangsverwaltung bestellt wurde, weiß Fürntrath. Besonders für kleine WEGs werde es zunehmend schwierig, sagt Wild im Hinblick auf die Kosten: „Man hat bei jeder WEG einen Mindestaufwand, doch je nach Größe der WEG verteilt sich das Honorar anders.“ Fürntrath überlegt sich mittlerweile sehr genau, welche WEG sie übernimmt: „Viele Häuser sind rechtlich sehr schwierig zu handhaben, weil beispielsweise nachträglich ein Dachgeschoßausbau erfolgt oder ein Zinshaus ins Wohnungseigentum übergegangen ist. Das macht die Sache sehr komplex. Mittlerweile landen daher viele WEGs über einen Rechtsanwalt bei mir. Ich kann aber maximal zwei schwierige Objekte pro Jahr übernehmen. Denn es braucht viele Ressourcen, bis solch ein Objekt wieder einwandfrei läuft.“

Braucht es angesichts der neuen Situation eine Anpassung des WEG-Gesetzes? „Sie ist dringend notwendig, da sehr viele Themen unklar sind“, sagt Fürntrath. Und weiter: „Je weniger Spielraum wir haben, desto schwieriger wird es für uns, die Vorgaben umzusetzen. Es braucht definitiv weniger Bürokratie. Derzeit ist das Gegenteil der Fall. Das uns aufgebrummte Bauwerksbuch sorgt für noch mehr Arbeit. Die meisten Verwalten wissen noch gar nicht, wie sie die damit verbundenen Verpflichtungen umsetzen sollen oder können.“  Wild zufolge sollte besonders querulatorischen Anfragen, wie etwa der nach Abrechnungen der letzten dreißig Jahre, gesetzlich ein Riegel vorgeschoben werden: „Man spürt, ob jemand querschießen will, oder ein ehrlich vertretbares Interesse hat.“

 

 

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
logo

Newsletter abonnieren

Sichern Sie sich Ihren Wissensvorsprung vor allen anderen in der Branche und bleiben Sie mit unserem Newsletter bestens informiert.


Zum Newsletter