ESG: gekommen, um zu bleiben
OIZ: Wie sind Sie als Finanzierungsinstitut auf das ESG-Rahmenwerk vorbereitet? Was erwartet Ihre (Firmen-)Immobilienkunden diesbezüglich?
KARIN SCHMIDT-MITSCHER: Wir haben natürlich jetzt schon entsprechende Ziele in unserem Finanzierungsportfolio, zum Beispiel im Neugeschäft, sprich: bei den neuen Finanzierungen nehmen wir uns vor, einen gewissen Anteil „Grün“ im Sinn der Taxonomie zu machen. Vor allem aber haben wir uns als Unternehmensgruppe als übergeordnetes Ziel gesetzt, bis 2026 auf Firmenkundenseite ein Viertel unseres Kreditportfolios „Grüne Kredite“ zu haben, und auf der Privatkundenseite 15 Prozent unseres Hypothekarkreditbestandes. Das bedeutet eine große Anstrengung, zumal gerade bei uns im Wohnbau die Laufzeiten in der Regel sehr lang sind und man hier nicht so schnell „drehen“ kann. Deshalb ist ein Viertel „Grüne Kredite“ bis 2026 wirklich sehr anspruchsvoll. Denn wir haben viele Arten von Finanzierungen im Portfolio wie Grundstücke oder Zinshäuser, die nicht per definitionem „Grün“ sind. Beim Neubau ist es leicht, weil nach heutiger Genehmigungslage in Österreich alle „Grün“-Kriterien in der Regel schon erfüllt sind. Aber bei Sanierungen ist es etwa nicht immer möglich, den Heizwärmebedarf um 30 Prozent zu senken.
OIZ: Können Sie als Bank solche Ziele im Rahmen des ESG-Regelwerks selbst festlegen?
SCHMIDT-MITSCHER: Derzeit gibt es noch keine externe Verpflichtung, welchen Anteil an Krediten wir „Grün“ haben müssen. Aber natürlich haben wir uns selbst Ziele gesetzt, weil wir zutiefst von Nachhaltigkeit überzeugt sind und uns beispielsweise als Mitglied der Net Zero Banking Alliance (NZBA) der Vereinten Nationen dazu verpflichtet haben, bis 2050 ein Kredit- und Anlageportfolio mit Net-Zero-Emissionen zu erreichen.
OIZ: Wie ist der aktuelle Stand der ESG-Gesetzgebung?
MARTIN CLEMENS WEBER: Es gibt zum einen die Taxonomieverordnung – also eine einheitliche Definition, was „Grün“ ist – mit Annexen, in denen für sehr viele Industrien die technischen Voraussetzungen beschrieben werden, was diese erfüllen müssen, um „Grün“ zu sein. Allerdings ist die Taxonomieverordnung noch nicht ganz zu Ende definiert. Von sechs Kriterien sind erst zwei ausdefiniert, die restlichen vier müssen auf EU-Ebene erst finalisiert werden.
Und wir haben zum anderen die Offenlegungsverpflichtungen, die momentan börsennotierte und sehr große nicht börsennotierte Unternehmen betreffen, auch Banken fallen darunter. Das heißt, wir müssen hier unter anderem offenlegen, wie viel Prozent unserer Aktiva „Grün“ sind. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung wird sukzessive auf weitere Bereiche der Wirtschaft ausgedehnt, indem die Kriterien, ab denen man berichtspflichtig ist, heruntergesetzt werden. Das ist allerdings noch keine Verpflichtung zum Handeln, sondern eine Verpflichtung, den Status festzustellen. Die Idee des „Green Deal“ der EU ist eine grüne Transformation aller Wirtschaftsbereiche. In vielen Bereichen gibt es noch keine finalen gesetzlichen Vorgaben, das ist noch dem Markt überlassen. Rechtlich gibt es momentan also nur die Taxonomieverordnung und die Offenlegungsverpflichtung.
SCHMIDT-MITSCHER: Daneben gibt es die EBA-Leitlinie für die Kreditvergabe und Überwachung. Das heißt, wir sind jetzt schon verpflichtet, Nachhaltigkeit in unseren Kreditprozessen mitaufzunehmen. Allerdings verbietet uns die Leitlinie natürlich nicht, „nicht-grüne“ Finanzierungen zu machen. Aber natürlich treibt uns der Markt, die Investoren, dazu, im Portfolio immer „grüner“ zu werden, aus bestimmten Industrien ganz auszusteigen etc.
OIZ: Was werden die größten neuen Herausforderungen bei der Immobilienkreditvergabe im Zusammenhang mit dem ESG-Rahmenwerk sein?
SCHMIDT-MITSCHER: Ganz sicher die Sanierung des Bestands. Neue Projekte sind wie gesagt von der Genehmigungslage her so anspruchsvoll, dass sie ohnehin in der Regel „grün“ sind. In der Sanierung fehlt noch vieles. Einerseits sind noch nicht alle Kriterien durchdefiniert, und es fehlt auch an vielen Begleitmaßnahmen, als Beispiel sei das noch nicht genehmigte Erneuerbare-Wärme-Gesetz genannt. Oder alles, was an Veränderungen im Wohnrecht dazu fehlt. Was hat man momentan als privater Wohnungseigentümer oder Hausbesitzer an Interesse? Man will natürlich „grüner“, nachhaltiger werden. Aber man hat weder gesetzliche Klarheit, bis wann man das muss oder soll, noch hat man die Möglichkeit, es wirtschaftlich umzusetzen, zum Beispiel dass der Mieter nachher mehr zahlt, weil das Haus dann „grüner“ ist. Das sind die großen Herausforderungen.
OIZ: Thema Kreditkonditionen: Je „grüner“ ein Projekt, umso günstiger die Konditionen?
SCHMIDT-MITSCHER: Das ist nicht so einfach zu beantworten, „Grün“ ist nicht per se günstiger beziehungsweise „Nicht-Grün“ nicht per se teurer. Die Unterlagen haben sich einfach um Energieeffizienz erweitert, und das Gesamtpaket wird dann zu berücksichtigen sein. Derzeit ist der Einfluss der hohen Zinsen mindestens so groß wie ESG. Die hohen Zinsen haben viel mehr Einfluss auf die Rentabilität der Projekte als die pure Taxonomiekonformität. Klar, je „grüner“, sprich, je energieeffizienter die Immobilie, umso attraktiver ist es auch für uns zu finanzieren.
OIZ: Wird das ESG-Rahmenwerk zur Klimaneutralität von Gebäuden wesentlich beitragen?
SCHMIDT-MITSCHER: Absolut. Denn Nachhaltigkeit ist nichts Kurzfristiges, sondern ESG ist gekommen, um zu bleiben. Ziel unserer Gesellschaft ist es, unser Leben grüner und nachhaltiger zu machen. Ob jede einzelne Vorschrift perfekt ist, lesbar ist, gut gelöst ist, kann man sicher hinterfragen. Aber das Beispiel Taxonomie ist ein guter Versuch, ein gutes System, Wirtschaftstätigkeiten einzuteilen in „Grün“ und „Nicht-Grün“. Es führt auch kein Weg daran vorbei.
WEBER: Die Idee einer EU-weiten Definition von „Grün“ ist grundsätzlich sinnvoll. Sonst würde es zu Greenwashing führen beziehungsweise dazu, dass es manche lockerer sehen als andere. Und: Es wird ja auch von unabhängigen Auditoren entsprechend geprüft.
SCHMIDT-MITSCHER: Zum Thema Energieausweis ein Wort. Gerade bei Wohnbauten ist der Energieausweis nach wie vor der Dreh- und Angelpunkt. Der Energieausweis ist schlussendlich aber auch nur eine kalkulatorische Berechnung, er gibt nicht den echten Energieverbrauch wieder. Und er ist auch nicht in allen Ländern gleich geregelt. Auch deswegen ist es gut und wichtig, dass es hier einen EU-Vorschlag zur Vereinheitlichung gibt, denn dann ist der Energieausweis auch von Land zu Land vergleichbar. Im Moment ist es der Energieausweis, in fünf oder zehn Jahren ist es dann vielleicht der tatsächlich gemessene Energieverbrauch.