Eine andere Wasserquelle anzapfen
„Das Thema Kreislaufwirtschaft ist ein wichtiges Thema“, betont Helmut Schöberl, Geschäftsführer vom Bauphysikbüro Schöberl & Pöll, und spricht damit die zunehmend wichtiger werdende Ressource Wasser an und hier vor allem deren „dezentrale Nutzung und effizienter Einsatz“: „Neben Spararmaturen gilt es, das Wasser lokal wiederaufzubereiten und zu nutzen.“ Eine neue Möglichkeit, dies zu tun, bietet die niederösterreichische Firma Strebel mit ihrer Grauwasserverwertungsanlage. Mit dieser Anlage wird fäkalienfreies Abwasser, das beim Duschen, Baden, Händewaschen sowie durch Waschmaschine und Geschirrspüler entsteht, für eine neuerliche Verwendung aufbereitet.
Das sogenannte Grauwasser landet üblicherweise gemeinsam mit Schwarzwasser im Kanal. Sein geringer Verschmutzungsgrad und die Temperatur von knapp vierzig Grad Celsius machen es aber zu einer wertvollen Ressource. Mit dem Vorteil, einerseits den Energieverbrauch und andererseits den Frischwasserbedarf zu senken. Zwei Vorzeigebeispiele dahingehend sind das POG81, eine im Vorjahr fertiggestellte Wohnhausanlage mit 64 freifinanzierten Mietwohnungen im 22. Wiener Gemeindebezirk sowie das im vergangenen Mai finalisiertes Kernsanierungsprojekt Kauergasse 2 im 15. Bezirk. Das 1895 errichtete Gebäude mit 31 Wohnungen und vier Betriebseinheiten im Erdgeschoß wurde nach dem Standard EnerPHit thermisch saniert und im Zuge dessen mit einer Grauwasserverwertungsanlage ausgestattet. In der knapp 130 Jahre alten Liegenschaft wird nun das wenig verschmutzte, warme Abwasser über Wärmerückgewinnung mittels Wärmetauscher für Warmwasser sowie zur Kühlung einer Gewerbefläche genutzt. Zusätzlich wird es für WC-Spülungen und zur Bewässerung der neugeschaffenen Grünflächen wiederaufbereitet.
Zweistufiges Aufbereitungsverfahren
„Ein Mensch verbraucht circa 120 Liter Wasser am Tag. Davon sind in etwa sechzig Liter Grau- und der Rest Schwarzwasser. Wir nutzen das Grauwasser ein zweites Mal, damit erzielen wir fünfzig Prozent Wassereinsparung vom gesamten Verbrauch eines Gebäudes“, so Strebel-Geschäftsführer Walter Huber. Hinzu kommt die Energieeinsparung durch eine effektive zentrale Wärmerückgewinnung. Mittels Wärmepumpe könne hundert Prozent des Wärmebedarfs für das Warmwasser abgedeckt werden, ergänzt Kauergasse-Projektleiter Schöberl: „Warmwasser ist nach einer thermischen Sanierung beziehungsweise in einem energieeffizienten Gebäude im Regelfall der größte Wärmeverbraucher.“
Das Grauwasser wird in der von Strebel entwickelten und produzierten Verwertungsanlage gesammelt. In einem zweistufigen Aufbereitungsverfahren wird es zuerst biologisch gereinigt und anschließend mit einer Membranfiltration von den restlichen Schmutzpartikeln befreit. Im Plattenwärmetauscher gibt das Filtrat seine Wärme an das einströmende Kaltwasser ab und erwärmt dieses auf dreißig Grad Celsius. Das gekühlte Filtrat gelangt mit etwa zwanzig Grad in die Wasser/Wasser-Wärmepumpe. Das auf dreißig Grad vorgewärmte Warmwasser wird auf sechzig Grad erhitzt. Dabei kühlt das primärseitig eingespeiste Filtrat auf weniger als drei Grad Celsius ab. Das durch „bakterielle Belebung“ gereinigte Wasser unterscheidet sich laut Huber rein optisch nicht vom Leitungswasser und ist für nicht-trinkwasserrelevante Anwendungen wie etwa Gebäudebegrünungen wiederverwendbar. Susanne Formanek, Geschäftsführerin der Forschungs- und Innovations-GmbH Grünstattgrau, die Mitglied des Konsortiums beim Projekt Kauergasse 2 war, führt hier einen wichtigen Punkt ins Treffen: „Die Wiederverwendung von Wasser aus Dusche und Waschbecken entlastet Gewässer und Kanalisation. Die niedrigeren Trink- und Abwassergebühren amortisieren die Anlage oft nach wenigen Jahren.“
Bislang keine Förderungen
Die Aufbereitungseinheit muss am tiefsten Punkt stehen, an dem Grauwasser anfällt. Meist ist das der Keller oder die Tiefgarage. Bei einem Gebäude mit hundert Bewohnern wird ein Platz von dreißig bis vierzig Quadratmetern, bei 300 Bewohner das Doppelte davon benötigt. Eine Raumhöhe ab 2,5 Metern ist erforderlich, ansonsten sind Sondermaßnahmen zu treffen. Die deutliche höhere Verrohrung spielt laut Huber kostenmäßig keine Rolle. „Die Grauwasseranlage wird ab einer Bewohnerzahl von circa achtzig Personen wirtschaftlich rentabel, da dann genügend Grauwasser zur Verfügung steht, um den Recycling-Prozess effizient zu gestalten“, sagt Huber. Was die Planung und Infrastruktur betrifft, so empfiehlt er Immobilienentwicklern für eine reibungslose Integration bei Neubauten bereits in der Planungsphase separate Grauwasserleitungen vorzusehen. Zudem ist ein weiteres Leitungsnetz notwendig, um das gereinigte Wasser zu den vorgesehenen Nutzungsbereichen innerhalb des Gebäudes zu führen. Bei Sanierungen im Altbau gestaltet sich die Integration freilich schwierig, sie ist dennoch „sehr gut machbar“, so Huber. Die Anlage selbst kostet je nach Anzahl der Gebäudebewohner von der Planung bis zur Inbetriebnahme und Einregulierung zwischen 200.000 Euro und bei 300 Personen rund 300.000 Euro. Je mehr Menschen sie nutzen, desto günstiger wird sie. „Bei einer kleineren Anlage haben wir eine Kapitalrücklaufzeit von zehn Jahren, bei einer Anlage für 300 Personen fünf Jahre“, sagt der Strebel-Geschäftsführer.
Förderungen gibt es dafür bislang keine. Das System ist noch zu unbekannt. Somit ist es vorerst eine Investition in die Zukunft, die dem Bauherrn keinen unmittelbaren Nutzen bringt. In erster Linie profitieren die Bewohner durch niedrigere Betriebskosten. Dennoch gibt es Huber zufolge Vorteile für Entwickler: „Der Einsatz des Strebel Grauwassersystems kann zur Erlangung von Nachhaltigkeitszertifikaten beitragen und Immobilienentwicklungen bei der Erreichung ihrer Umweltziele unterstützen. Mit dem geringeren Wasser- und Energieverbrauch reduziert diese Anlage auch den CO₂-Ausstoß und verbessert das Nachhaltigkeitsprofil eines Gebäudes.“ Das nachhaltige Feature kann den Wert seines Gebäudes steigern. Gleichzeitig bietet die Strebel-Anlage eine ressourceneffiziente Lösung für grüne Städte. Huber ist bereits mit der Stadt Wien in Gesprächen, das gewonnene Nutzwasser zur Bewässerung öffentlicher Grünflächen kostenlos zur Verfügung zu stellen. Noch hält sich das Interesse in Grenzen. Mit knapper werdendem Wasser bei steigender Begrünung könnte es aber zukünftig für Städte von großem Nutzen sein, diese neue „Wasserquelle“ anzuzapfen. „Im Gegensatz zu Regenwasser steht Grauwasser kontinuierlich zur Verfügung“, betont Formanek und ergänzt: „Lokale Bewässerung wird wichtig.“ Innovationen würden immer ein gewisse Eingewöhnungszeit benötigen, Demonstrationsprojekte wie etwa die Kauergasse dabei helfen, Vertrauen in neue Technologien und Prozesse aufzubauen.