Der Makler im Sturm der Mietanfragen
Nach einer aktuellen Datenanalyse von ImmoScout24 zog die Nachfrage nach Mietwohnungen in Österreich zwischen Jänner und November 2024 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum in nahezu allen Bundesländern beachtlich an. Was naturgemäß meist Hand in Hand mit Preissteigerungen geht. Bislang sei keine Entspannung in Sicht, so Markus Dejmek, Österreich-Chef von ImmoScout24. Mietinteressenten seien durch die aktuelle Situation gezwungen, sich rascher für Wohnungen zu entscheiden und mehr Kompromisse bei der Lage oder Infrastruktur einzugehen.
„Aufgrund der KIM-Verordnung (Anm.: läuft mit Ende Juni 2025 aus) und der gestiegenen Zinsen erhalten Kaufinteressenten vielfach keine Immobilienfinanzierung, können sich somit kein Eigentum leisten und sind daher gezwungen, Mietwohnungen nachzufragen“, erklärt Arno Wimmer, Berufsgruppensprecher der österreichischen Immobilienmakler und geschäftsführender Gesellschafter der Re/Max Conterra Immobilien GmbH in Innsbruck, den Hintergrund dieser angespannten Situation am Mietmarkt. Vielfach betreffe dies die Mittelschicht, die sich schöne und auch etwas teurere Mietwohnungen leisten könne und wolle und weniger an Standardwohnungen interessiert sei, so Wimmer. Die bisherigen Mieter erster Klasse, welche sich die Mietsteigerungen nicht leisten könnten und wollten, würden nunmehr Mieter zweite Klasse und hätten daher Probleme, schöne Wohnungen mieten zu können.
Flut an Mails
„Die Dienstleistung des Maklers in dem geänderten Mietmarkt ist daher etwas herausfordernder geworden. Zumal die nunmehrigen Mietinteressenten erster Klasse doch einen gewissen Service erwarten, obwohl sie im Zuge des Bestellerprinzips keine Provision zu bezahlen haben, wenn sie nicht ausdrücklich Erstauftraggeber und Suchkunde sind“, so Wimmer. Die Enttäuschung jener Interessenten, die bisweilen Mieter erster Klasse waren, sei entsprechend. Letztendlich entscheide aber der Vermieter, wen er als Mieter haben möchte: „Der Vermieter vermietet seine Immobilie lieber an eine Person mit entsprechender Bonität. In all den Bemühungen des Immobilienmaklers hat dieser dennoch darauf zu achten, dass keine Diskriminierung gemäß Gleichbehandlungsgesetz erfolgt.“ Ein objektiver Prozessablauf sei daher sehr ratsam.
„Aber – Stichwort Diskriminierung – dadurch, dass der Vermieter kritischer selektiert, werden die sozial Schwächeren leider benachteiligt. Wir müssen unseren Auftraggebern gerecht werden“, sagt Philipp Sulek, ebenfalls Berufsgruppensprecher der österreichischen Immobilienmakler und Geschäftsführer von Sulek Immobilien in Wien. Wenn der Vermieter zum Beispiel als Mieter nur eine alleinstehende Person möchte, würden Familien automatisch ausscheiden. Der Vermieter bevorzugt Mietinteressenten mit einer besseren Bonität. „Wobei meine Aufgabe als Makler es eben ist, aufgrund der mir zur Verfügung stehenden Daten den entsprechend richtigen Mieter zu finden“, so Sulek. Und weiter: „Aufgrund der gestiegenen Nachfrage nach Mietwohnungen bekommen wir Immobilienmakler jedenfalls so viele Anfragen, dass wir ihrer nicht Herr werden. Beispielsweise bei günstigen 700-Euro-Mietwohnungen im 15. Wiener Bezirk haben wir am Tag hundert Anfragen. Und diese Mietinteressenten bekommen aufgrund der Flut an Mails, die wir am Tag bekommen, teilweise keine Antwort.“ Was wiederum dazu führe, dass das Image des Maklers aufgrund dieser zahlreichen Anfragen, die man nicht alle abarbeiten könne, noch schlechter werde.
Unterstützende Software-Funktionen
Man merke, dass die Immobilienplattformen als Anbieter und auch die Immobiliensoftware-Anbieter auf diese Anfragesituation reagiert haben. Die Maklersoftware von Justimmo zum Beispiel habe die stufenweise Vermarktung eingeführt: „Mit dem Tool können Suchprofile angelegt werden. Das heißt, man bietet zusätzlich das Service, indem man sagt, ,Lieber Mietinteressent, du hast eine Anfrage gestellt, hast die Wohnung leider nicht bekommen, aber ich möchte dir andere Angebote schicken, bevor ich diese veröffentliche’, erklärt Sulek, also bevor man wieder diesen Ansturm von Anfragen habe. „Und in einem zweiten Schritt gehe ich mit dem Angebot auf meine eigene Makler-Homepage beziehungsweise noch immer nicht auf eine der Immobilienplattformen.“ Mit Justimmo gebe es darüber hinaus die Möglichkeit, ein Anfragelimit einzuziehen, sodass es ab einer gewissen Anzahl von Anfragen automatisch wieder offline gehe – damit man als Makler arbeitsfähig bleibe.
„Im besten Fall ist eine Immobiliensoftware bereits mit den richtigen Funktionen ausgestattet, um ad hoc auf mögliche Veränderungen und Nachfragen im Immobilienbereich zu reagieren“, sagt Julia Mannheims, Marketing-Managerin von onOffice. Bei onOffice Enterprise sieht das, wenn sich bereits Wohnungen im Immobilienportfolio des Maklers befinden, beispielsweise folgendermaßen aus: Der Anfragenmanager sendet automatisiert Antworten, legt Datensätze an, erfragt den Widerruf und verschickt das Exposé, wenn alle Kriterien erfüllt sind. „Der Immobilienmakler muss sich nur um die Anfragenden kümmern, die sich auch wirklich für die Wohnung interessieren“, so Mannheims. „Gleichzeitig steigt die Zufriedenheit der Anfragenden, wenn sie unverzüglich eine Antwort erhalten – dank der Automatisierung.“
Reaktionen der Plattformen
Bei Wohnanlagen mit mehreren Wohnungen ließen sich mit dem Multi-Objekt-Modul von onOffice Enterprise einheitliche Daten leicht vom System anlegen. Einfach ein Stammobjekt bestimmen und von dort die einzelnen Einheiten aktualisieren und anpassen. „Das Stammobjekt bietet den Überblick über sämtliche Einheiten, Käufer, Mieter und den Vermarktungsstatus“, versichert Mannheims. Und: Dank einer gepflegten sowie aktuellen Datenbank würden sich Mietinteressenten und das passende Objekt wie von alleine finden: „Einfach die Immobiliensuche in dem Adressdatensatz auswählen und automatisch das passende Objekt angezeigt erhalten, das für den Interessenten in Frage kommt. So lassen sich sogar Wohnungen vermarkten, die noch gar nicht veröffentlicht wurden“, erläutert die Marketing-Managerin von onOffice.
Und wie sind die Immobilienplattformen für die steigende Nachfrage nach Mietwohnungen gerüstet? Auf willhaben zum Beispiel gibt es das Mietprofil Plus, bei dem die Mietinteressenten mit der Anfrage Informationen wie über den Familienstand, ob es Haustiere gibt, ob man Raucher ist oder wie viele Personen einziehen, mitschicken können. „Also relativ viele Informationen schon in der Erstanfrage, wodurch ich als Makler auch strukturierter arbeiten kann“, sagt Sulek.
Plus-Mitgliedschaft für Suchende
ImmoScout24 bietet eine Plus-Mitgliedschaft für Suchende an, die eine Bonitätsprüfung beinhaltet und laut Unternehmensauskunft „Anbieter damit identifizierte, verifizierte und oft auch bonitätsgeprüfte Anfragen zur Verfügung stellt.“ In einer Zeit, während der Anbieter am Mietmarkt mit einer Flut von Anfragen konfrontiert seien, ermögliche dieses Feature mit vorab qualifizierten Anfragen eine effizientere Abwicklung und damit eine echte Zeit- und Geldersparnis in der Vermarktung zu erreichen. Gewerbliche Anbieter könnten über eine Support-Anfrage einstellen, dass Anzeigen für einen gewissen Zeitraum zuerst von Plus-Mitgliedschaften kontaktiert werden könnten und danach von allen.
Einer Makler-Kritik, wonach die Anzeigen auf den Plattformen nach einer gewissen Anzahl von Anfragen automatisch auf „Reserviert“ gingen, weil sie überschwemmt würden, entgegnet ImmoScout24, eine Funktion wie „Reservieren” existiere bei ImmoScout24 nicht. Grundsätzlich seien alle Anzeigen auf der Plattform verfügbar und kontaktierbar. Das Inserieren von reservierten Immobilien verstoße gegen die AGB von ImmoScout24. Die grundsätzliche Steuerung der Anzeige obliege nur dem/der inserierenden Anbieter.
Kritik am Bestellerprinzip
Personal aufstocken, um der Lage besser Herr zu werden, könnten die Makler jedenfalls nicht, wie Sulek darlegt: „Im Gegenteil. Wir bauen Personal eher ab, da die Honorare aufgrund des Bestellerprinzips um die Hälfte geringer als zuvor sind. Wir haben bei stetig steigenden Kosten weniger Honorar, weil wir ja gesetzlich reglementiert sind.“ Wegen des Bestellerprinzips sieht er aber auch die Mieter enorm benachteiligt. Es habe dazu beigetragen, dass die Mieter zu Bittstellern wurden. „Sie würden gerne zahlen, dürfen aber nicht“, berichtet Sulek. Nach nunmehr über einem Jahr Bestellerprinzip müsse dieses Gesetz evaluiert werden. Bei einer seriösen Überprüfung sollte man sehen, dass es geändert gehöre. In der aktuellen Form könne es nicht bestehen bleiben. „Die Maklerbetriebe entwickeln sich negativ. Wir haben weniger Beschäftigte, wir haben weniger Unternehmer. Aufgrund der enorm gestiegenen Kosten müssen wir Makler verschiedene Prozessschritte, die wir sonst gern gemacht haben, einsparen, beispielsweise einen eigenen Termin für einen Kunden“, so Sulek abschließend.