Auswirkungen des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes
Eine ausführliche Analyse von Mag. Andreas Berger.

Das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz normiert ein allgemeines Diskriminierungsverbot dahingehend, dass niemand aufgrund einer Behinderung unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden darf.2
Diese weit gefasste Bestimmung soll die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen fördern und umfasst damit auch Tatbestände, die nicht Gegenstand eines EU-rechtlich verankerten Diskriminierungsverbotes sind.3 Letztlich soll damit der verfassungsrechtlichen Anordnung des Art 7 Abs 1 B-VG entsprochen werden, wonach niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf.4
Im Rahmen der Übergangsbestimmungen legt das BGStG fest, dass dieses hinsichtlich baulicher Barrieren (die als mittelbare Diskriminierungen zu qualifizieren sind – siehe dazu gleich unten) im Zusammenhang mit Bauwerken, die aufgrund einer vor dem 1. Jänner 2006 erteilten Baubewilligung errichtet werden, erst ab dem 1. Jänner 2016 anzuwenden ist.5 Damit stellt sich die Frage, welche Verpflichtungen auf Gebäudeeigentümer sowie Vermieter und Mieter von Geschäftsräumlichkeiten mit 1. Jänner 2016 hinsichtlich der Beseitigung baulicher Barrieren zukommen.
Unmittelbare Diskriminierung
Das Gesetz unterscheidet zunächst zwischen unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierung. Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person aufgrund einer Behinderung in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.6 Eine unmittelbare Diskriminierung kann niemals sachlich gerechtfertigt sein.7 Auch findet eine Prüfung einer etwaigen Unzumutbarkeit der Beseitigung des diskriminierenden Zustandes im Gegensatz zu mittelbaren Diskriminierungen nicht statt.
Im Zusammenhang mit dem Abschluss von Mietverträgen kann eine solche unmittelbare Diskriminierung auch darin begründet sein, dass mit einem Interessenten aufgrund einer Behinderung (auch mit einer dem Interessenten nahestehenden Person8) kein Mietvertrag abgeschlossen wird. An dieser Stelle ist aber hervorzustreichen, dass eine solche unmittelbare Diskriminierung stets von der Person, die sich auf eine ihr zugefügte Diskriminierung beruft, glaubhaft zu machen ist9 und hiefür nicht schon ausreicht, dass ein individueller Bedarf der betroffenen Personen an der Benutzung der konkreten, ins Auge gefassten Wohnung besteht.
Die Bestimmung des § 6 Abs 1 Z 6 (dazu siehe sogleich unten), wonach „beim Zugang zu Wohnraum der von der betroffenen Person darzulegende Bedarf an der Benutzung der betreffenden Wohnung“ zu berücksichtigen ist, ist immer nur bei der Prüfung der Zumutbarkeit der Beseitigung von mittelbaren Diskriminierungen – insbesondere von baulichen Barrieren – von Relevanz.10
Bauliche Barrieren als mittelbare Diskriminierung
Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sowie Merkmale gestalteter Lebensbereiche Menschen mit Behinderungen gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können.11 Eine solche mittelbare Diskriminierung liegt dann nicht vor, wenn die Beeinträchtigung durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich sind.12
Die Materialien13 sehen bauliche Barrieren im Sinne einer solchen mittelbaren Diskriminierung dann gegeben, wenn aufgrund von Stufen, zu geringen Türbreiten oder nicht barrierefrei zugänglichen Sanitäranlagen mobilitätsbehinderte Menschen sich an die Öffentlichkeit richtende Angebote nicht oder nur mit besonderer Erschwernis wahrnehmen können. Bei der Beurteilung des Vorliegens von baulichen Barrieren ist auch zu prüfen, ob einschlägige Rechtsvorschriften vorliegen und ob und inwieweit diese eingehalten wurden.14
Schon das Ausmachen „einschlägiger Rechtsvorschriften“ gestaltet sich aufgrund des föderalistischen Zustandes in Österreich schwierig: Zunächst existiert eine ÖNORM B 1600 „Barrierefreies Bauen – Planungsgrundlagen“, die Anforderungen an lichte Durchgangsbreiten, Rampen, barrierefreie WC-Räume etc. festschreibt. Des Weiteren ist die OIB-Richtlinie 4 „Nutzungssicherheit und Barrierefreiheit“ relevant, die u. a. konkrete Verweise auf die genannte ÖNORM enthält. Rechtliche Verbindlichkeit enthält diese Richtlinie erst durch einen entsprechenden Verweis bzw. Übernahme durch die jeweiligen Bauordnungen der Länder. In Wien wurden die OIB-Richtlinien, soweit in ihnen bautechnische Anforderungen geregelt werden, durch die Wiener Bautechnikverordnung16 für verbindlich erklärt.
Das Gesetz sieht zwei Fälle vor, in denen aufgrund des Vorliegens einer „unverhältnismäßigen Belastung“ mittelbare Diskriminierungen hinzunehmen sind und nicht beseitigt werden müssen:
• Die Beseitigung von Bedingungen, die eine Benachteiligung begründen, insbesondere von Barrieren, ist rechtswidrig
• Eine solche Beseitigung ist wegen unverhältnismäßiger Belastung unzumutbar
Die Materialien17 nennen als Beispiel für den 1. Fall die denkmalschutzrechtliche Unzulässigkeit eines Einbaus einer Rampe an der Vorderfront eines Gebäudes.
Als Beispiel für eine Unzumutbarkeit aufgrund einer unverhältnismäßigen Belastung wird der nachträgliche Einbau eines Aufzugs in einen Altbau genannt. Hinsichtlich der Prüfung, ob eine Belastung unverhältnismäßig ist, listet das Gesetz18 verschiedene Umstände demonstrativ („insbesondere“) auf, die zu berücksichtigen sind:
• Der mit der Beseitigung der die Benachteiligung begründenden Bedingungen verbundene Aufwand;
• Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der eine Diskriminierung bestreitenden Partei;
• Förderungen aus öffentlichen Mitteln für die entsprechenden Maßnahmen;
• Die zwischen dem In-Kraft-Treten des BGStG und der behaupteten
Diskriminierung vergangenen Zeit;
• Die Auswirkungen der Benachteiligung auf die allgemeinen Interessen des durch das Gesetz geschützten Personenkreises;
• Beim Zugang zu Wohnraum der von der betroffenen Person darzulegende Bedarf an der Benutzung der betreffenden Wohnung
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt lassen sich klare Aussagen dahingehend, welche baulichen Barrieren mittelbare Diskriminierungen darstellen und welche dieser Barrieren mittels verhältnismäßiger Belastung zu beseitigen sind, kaum treffen. Klar ist, dass die oben genannten Bestimmungen der BauO sowie der