Dekarbonisierung

Gebäude „verstehen“, dann optimieren

Hansjörg Preims
10.02.2025

Auch in Bestandsimmobilien gibt es zahlreiche Möglichkeiten zur alternativen Erzeugung von Wärme und Kälte.

Die gängigsten technologischen Maßnahmen im Sinne der Klimaneutralität bilden derzeit Wärmepumpen und Photovoltaikanlagen in Kombination mit Batteriespeichern. Für energieautarke Gebäude immer mehr in den Fokus rückt die Nutzung von Abwasser zur Wärmerückgewinnung oder auch aus Grundwasserbrunnen, sowohl für Wärme als auch für Kälte. „Auch die Geothermie wird in den kommenden Jahren eine immer wichtigere Rolle spielen“, sagt Michael König, Leitung Business Development von immOH!

 

Wo die Infrastruktur existiert, ist das Fernwärme- und Fernkältenetz ein wichtiger Ansatz. In ländlichen Gebieten, wo Fernwärmenetze seltener sind, bieten Trends wie lokale Energiegemeinschaften Lösungsvorschläge für die dezentrale Energiegewinnung. „Einschränkungen im städtischen Raum sind oft der dichten Bebauung – zum Beispiel für Tiefenbohrungen – und der alten Gebäudesubstanz – etwa für die notwendigen Technikräume für Wärmepumpen, Tragfähigkeit von Dächern für PV-Anlagen – geschuldet“, so König. Flächenreiche Grundstücke in ländlichen, suburbanen Gebieten würden dafür den Einsatz von PV-Anlagen im größeren Umfang interessant machen. König: „Geologische Bedingungen und Bodenbeschaffenheit beeinflussen zusätzlich die Effizienz von geothermischen Energiequellen.“ Berücksichtigen müsse man außerdem klimatische und geografische Voraussetzungen, die zusätzlich großen Einfluss auf die Effizienz von PV- und Solarthermie-Anlagen hätten.

Mann mit Brille vor Baum
Michael König, Leitung Business Development von immOH!: „Einschränkungen im städtischen Raum sind oft der dichten Bebauung und der alten Gebäudesubstanz geschuldet.“
Credit: immOH!

Fantasie schadet nicht

Wärme und Kälte aus einer Anlage (sowie einem Energieliefervertrag) bietet die BCE Beyond Carbon Energy Holding. „Der große Unterschied zu anderen Energielieferanten ist, dass wir diese Wärme und Kälte im Wesentlichen am Projektstandort entstehen lassen. Wir errichten beziehungsweise investieren in diese Anlagen, betreuen sie und verkaufen die entsprechende Wärme und Kälte an die Nutzer; sowohl für Neubauten als auch für Bestandsimmobilien“, erklärt Managing Partner und Founder Herbert Hetzel. Wobei BCE im Wesentlichen mit sehr langlebigen saisonalen Energiespeichern arbeitet. „Wir schreiben unsere saisonalen Energiespeicher dort, wo wir jeweils in der Saison Wärme und Kälte speichern, auf achtzig Jahre ab.“ Bei dieser Langlebigkeit der Anlagen sei das „graue“ CO2 eine lässliche Sünde. „Ganz ohne CO2 kommen auch wir nicht aus, aber mit deutlich weniger als viele andere“, sagt Hetzel und erklärt, wie sich ein derartiger saisonaler Energiespeicher – „immer Kernstück unserer Anlagen – auf verschiedenste Art und Weise herbeiführen lässt: zum Beispiel mit oberflächennaher Geothermie, Erdsonden, auch durch Ringgrabenkollektoren, theoretisch auch durch große Tankanlagen, die irgendwo vergraben werden. „Unser Fokus liegt darauf, die Energieversorgung im Wesentlichen auf Niedertemperaturbasis zu ermöglichen“, so Hetzel. Eine der Prämissen von BCE sei eben – aus Effizienzgründen – „die Niedertemperaturversorgung, denn ein Gebäude, auch ein bestehendes, benötigt aus unserer Sicht keine Hochtemperatur.“ Diese habe viele Nachteile, etwa dass man, um sie zu erzeugen, gezwungen sei, etwas zu verbrennen. Und zweitens, wenn man mit Hochtemperatur arbeite, handle man sich Verteilverluste ein.

 

Mann mit Brille in braunem Sakko
Herbert Hetzel, BCE Beyond Carbon Energy Holding GmbH: „Eine unserer Prämissen ist – aus Effizienzgründen – die Niedertemperaturversorgung.“
Credit: BCE beyond carbon energy

 

Die BCE Beyond Carbon Energy Holding hat bereits 2017 Bestandsobjekte „aus Gas herausgefahren“. „Auch im Bestandsbereich ist es nicht schwierig“, sagt Hetzel. Die Diffizilität ergebe sich vielleicht daraus, „dass im Bestand die Situierung und die Anordnung der saisonalen Energiespeicher dann ein Problem sind, wenn die Liegenschaft zu hundert Prozent verbaut ist.“ Da bedürfe es einer gewissen Fantasie. Aber er, Hetzel, habe vor vielen Jahren mit der MA20 gemeinsam das Thema der Erdsonden im öffentlichen Raum „erfinden“ dürfen. Das habe die Stadt Wien mittlerweile aufgegriffen und lasse zu, dass beispielsweise oberflächennahe Geothermie im öffentlichen Raum angeordnet werde, wenn sich das auf den Liegenschaften nicht ausgehe.

 

Auch ohne Investitionen

Entwicklungen von Siemens tragen ebenfalls dazu bei, dass sich in etlichen Bestandsgebäuden erhebliche Verbesserungen erzielen lassen. Historisch kommt Siemens hier aus der Produktentwicklung im Umfeld von Heizung/Klima/Lüftung und fokussiert sich auf die Steuerung von Gebäuden. „Ganz wichtig ist, dass wir, in der Intelligenz der Gebäudesteuerung die Optimierung des Energieverbrauchs vorantreiben. Wir nutzen in Österreich unsere Partnerschaft mit der Stadt Wien im Rahmen des Projekts Aspern Smart City Research (ASCR), um aktiv in diesem Umfeld zu forschen“, sagt Martin Lang, Leitung Gebäudetechnik der Siemens AG Österreich. „Wir können jederzeit in einem bestehenden Gebäude durch Analyse der Mess- und Datenpunkte signifikante Energieeinsparungen aufzeigen, von dort weg das Gebäude ‚verstehen‘ und es dann optimieren. Dafür müssen wir es teilweise nicht einmal betreten.“

 

Siemens hatte dazu ein Pilotprojekt mit der Bundesimmobiliengesellschaft, nämlich ein großes Ministerialgebäude, in dem ohne Investitionen 17 Prozent thermische und elektrische Einsparung erzielt werden konnten. Rein indem mit den digitalen Diensten des Unternehmens auf die Datenpunkte im Objekt zugegriffen wurde, und diese Daten genutzt wurden, um Fehlverhalten der Regelung aufzudecken. „Unsere wichtigste Erkenntnis: Man kann in vielen Bestandsgebäuden erhebliche Verbesserungen erzielen, wenn man die Automatisierung intelligenter gestaltet“, so Lang.

 

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